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Leidens-Wege in Bochum 1933 bis 1945

Die Stationen

Hier finden Sie alle einzelnen Stationen. Lesen Sie sich durch die Vergangenheit und lernen Sie vieles aus der Geschichte einer dunklen Zeit.

Leidens-Wege in Bochum 1933 bis 1945

Steinring/Düppelstraße

Am 21. Juli 1941 holte die Gestapo in Rheinland und Westfalen zu einem Schlag gegen den Franziskanerorden wegen angeblich regimekritischer und "defätistischer" Veröffentlichungen aus. Die Klöster wurden geschlossen, die Ordensangehörigen aus Rheinland und Westfalen ausgewiesen.

Bei der Durchsuchung des Franziskanerklosters am Steinring verstarb Pater Romanus Bange - zugleich Pfarrer an der Christ-König-Kirche - an Herzversagen. Kurz darauf versammelten sich vor der Kirche zahlreiche Gläubige, die - in der Meinung, Bange sei durch Gewaltmaßnahmen der Gestapo ums Leben gekommen - gegen den Gestapoeinsatz protestierten.

Im Dezember 1941 wurde P. Dr. Gangulf Korte als 1. Vikar an die Christ-König-Kirche versetzt und wirkte dort bis zu seinem Weggang nach Paderborn im Sommer 1943 als Mitinitiator der Vinzenz-Konferenz.

Im Frühsommer 1944 gelang es der Gestapo, die Vinzenz-Konferenz zu zerschlagen und 12 ihrer Mitglieder in Untersuchungshaft zu nehmen. Unter ihnen befand sich Pater Gandulf Korte, der am 5. Juli 1944 in Paderborn verhaftet und in das Gerichtsgefängnis in Bochum gebracht wurde. Er starb in den Trümmern des Bochumer Untersuchungsgefängnisses während des Bombenangriffs vom 4. November1944.

Universitätsstraße

Von November 1940 an wurden in Bochum - ebenso wie in den meisten anderen deutschen Städten - zahlreiche Hochbunker und Tiefbunker errichtet.

Allein im Bochumer Stadtgebiet wurden 17 größere Bunkeranlagen geplant, von denen 15 bis Kriegsende fertig gestellt wurden. Von 1940 bis 1942 waren mehrere hundert Menschen im Bunkerbau tätig. Die meisten von ihnen gehörten zu den auf verschiedenen Baustellen eingesetzten Kriegsgefangenen-Baubataillonen und Arbeitsbataillonen oder waren Zwangsarbeiter der Organisation Todt. Die mit ihrer Arbeitskraft errichteten Bunker durften die Zwangsarbeiter bei Luftangriffen allerdings nicht betreten.

Auch für die Bochumer Bevölkerung reichte der Platz in öffentlichen Schutzräumen bei weitem nicht aus. Mit der Intensivierung des Luftkrieges seit 1943 gruben sich die Bochumer deshalb ein und überall im Stadtgebiet entstanden Luftschutzstollen, Deckungsgräben und Splittergräben.
Der Luftkrieg forderte über 4000 Todesopfer in Bochum. Unter ihnen befanden sich zahlreiche Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.

Beispiel: Universitätsstraße 38

In der Nacht vom 10. zum 11. März 1933 wurde die Hauptvorstandsverwaltung des Verbandes der Bergbauindustriearbeiter Deutschlands an der Wiemelhauser Straße Nr. 38 (heute: Universitätsstraße) von der SA besetzt und zahlreiche Gewerkschaftsfunktionäre verhaftet.

Ein öffentlicher Protest bewirkte lediglich, dass dem Bergbauindustriearbeiterverband kurz darauf das Gebäude wieder übergeben, gleichzeitig aber ein Staatskommissar eingesetzt wurde, der über die Tätigkeit der Gewerkschaft wachte.

Am selben Tag besetzten Bochumer Nationalsozialisten das Gewerkschaftshaus des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB), Ecke Viktoriastraße 34 / Rottstraße 25-27 (heute Viktoriastraße / Südring). In dem Gebäudekomplex waren zehn Einzelgewerkschaften untergebracht. Unter anderem befanden sich dort die Büroräume des Deutschen Metallarbeiterverbandes. SA-Angehörige verwüsteten die Einrichtung und nahmen Gewerkschaftsmitglieder fest.

Wenige Wochen später, am 2. Mai 1933, wurden die Gewerkschaften endgültig von den Nationalsozialisten zerschlagen und durch die Deutsche Arbeitsfront (DAF) ersetzt. Ihr Ziel war jedoch nicht die Vertretung der Arbeiterschaft und die Sicherung ihrer Rechte, sondern deren Unterdrückung und Disziplinierung im Sinne des Regimes.

Gedenktafeln an den ehemaligen Standorten erinnern an das Geschehen.

Hermannshöhe 7

Nach dem Verbot des "Volksblattes", der sozialdemokratischen Tageszeitung im mittleren Ruhrgebiet, besetzten Nationalsozialisten im März 1933 die Verlagsgebäude an der Hermannshöhe und richteten dort eine SA-Unterkunft ein.

Führende Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschafter wurden in die Volksblatt-Druckerei verschleppt und dort grausam misshandelt. Dem Reichsbannermann Heini Schmitz wurde von den Nazi-Schergen Gift eingeflößt, weil er sich weigerte, in der Volksblatt-Druckerei Kommunisten auf Weisung der SA zu foltern. Heini Schmitz ist diesem Giftanschlag nach wenigen Stunden erlegen.

Franz-Vogt-Straße

Franz Vogt (1906 bis 1940) war bis 1933 Sekretär der wirtschaftspolitischen Abteilung des Bergbauindustriearbeiterverbandes. Als engagierter Sozialdemokrat und Führer des Reichsbanners stand er bei den alltäglichen Zusammenstößen mit Nationalsozialisten in vorderster Linie.

Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten emigrierte Franz Vogt mit seiner Familie zunächst ins Saargebiet und nach dessen Rückgliederung ins Deutsche Reich über Luxemburg in die Niederlande. Dort wählte er nach der Besetzung Hollands durch die deutsche Wehrmacht den Freitod.

Im Jahre 1983 beschloss der Rat der Stadt Bochum die Benennung einer Stichstraße im Bereich Hermannshöhe nach Franz Vogt, der mit seiner Familie an der Oskar-Hoffmann-Straße gewohnt hatte.

Dr.-Ruer-Platz

Otto Ruer wurde am 5. Januar 1879 als Sohn jüdischer Eltern in Münster geboren. Nach Jurastudium und Promotion war er unter anderem als Rechtsanwalt am Kammergericht in Berlin tätig und wurde 1921 Ministerialrat im Reichsinnenministerium. Im Oktober 1924 wählte die Bochumer Stadtverordnetenversammlung den parteilosen, der Deutschen Demokratischen Partei nahe stehenden Dr. Otto Ruer zum Oberbürgermeister. Im Januar 1925 wurde er in sein Amt eingeführt.

Bereits zu Beginn der 1930er Jahre wurde der qualifizierte Verwaltungsfachmann von Nationalsozialisten mehrfach diffamiert. Unter dem Vorwurf der unkorrekten Amtsführung, Verschwendung öffentlicher Mittel und persönlicher Bereicherung erwirkte die Bochumer NSDAP am 11. März 1933 seine Absetzung. Zwei Tage später wurde Dr. Otto Ruer in Berlin verhaftet und unter demütigenden Umständen nach Bochum zurück gebracht. Er wurde in Untersuchungshaft genommen und kam ins Gefängnis des Bochumer Amtsgerichts. Weil die gegen ihn erhobenen Vorwürfe sich als haltlos erwiesen und ihm keinerlei Dienstvergehen nachgewiesen werden konnten, wurde er am 11. Mai aus der Haft entlassen.

Nachdem das Dienststrafverfahren gegen Dr. Otto Ruer eingestellt worden war, versetzte ihn der Bochumer Magistrat am 31. Juli 1933 nachträglich in den Ruhestand und gewährte ihm eine Pension. Die Nachricht von seiner Rehabilitierung erreichte Otto Ruer allerdings nicht mehr. Am 29. Juli 1933 wählte er in Berlin den Freitod.

1959 wurde ein durch die Folgen des 2. Weltkrieges neu geschaffener Platz in der Innenstadt nach dem ehemaligen Oberbürgermeister benannt. Die von dem Architekten Karl Gehse1980 geplante Neugestaltung des Platzes blieb allerdings unvollständig. Nach den ursprünglichen Plänen sollte der Platz einen Obelisken erhalten, der als Pendant die Schrifttafeln in der Platzmitte optisch hervorheben sollte. Die Platten im Boden erinnern an Oberbürgermeister Ruer.

Huestraße / Dr.-Ruer-Platz

Die alte Bochumer Synagoge lag an der Schützenbahn (heutige Haus-Nr. 1). Sie lässt sich seit 1765 nachweisen. Damals wohnten sieben jüdische Familien, rund 50 Personen, in Bochum, die vor allem als Schlachter, als Geldverleiher und Händler tätig waren. Jüdisches Leben in Bochum existierte aber schon früher. Bereits im ausgehenden 16. Jahrhundert hielten Juden in Bochum Gottesdienste in einem Betraum ab, nachweislich seit 1650.

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war infolge der Industrialisierung und ermöglicht durch eine liberalere Judengesetzgebung die Zahl der jüdischen Einwohner auf über 200 angestiegen. 1871 zählte Bochum bereits 370 jüdische Einwohner. Bis 1895 stieg ihre Zahl nochmals auf 803 an. Das alte Gotteshaus an der Schützenbahn reichte längst nicht mehr aus. Am 28. August 1863 war daher eine neu erbaute Synagoge an der damaligen Wilhelmstraße 18 eingeweiht worden, die 1896 nochmals vergrößert und umgebaut wurde. Ein weiterer Umbau erfolgte 1925.

Zusammen mit der Synagoge war 1863 auch ein neues Schulgebäude eingeweiht worden. Die jüdische Schule lag in unmittelbarer Nähe der Synagoge, an der Wilhelmstraße 16. Zunächst beherbergte sie nur einen Unterrichtsraum und eine Lehrerwohnung. Nach mehrmaligem Umbau und Ausbau hatte die jüdische Volksschule drei Unterrichtsräume und bot Platz für 100 Schüler. In dem Gebäude waren außer dem Büroräume für die Gemeindeverwaltung, die Lehrerwohnung, die jüdische Wanderfürsorgestelle, die Gemeindebibliothek und ein Kinderhort untergebracht. Ihre höchste Mitgliederzahl (1.244) erreichte die Bochumer jüdische Gemeinde 1930.

Nur wenige Jahre später, mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten, begann auch für die jüdischen Bochumer der Prozess der Entrechtung, Verdrängung und Verfolgung.Stationen dieser Entwicklung waren: die mit dem "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" beginnenden Beschränkungen und Berufsverbote, der großangelegte Boykott gegen jüdische Geschäfte, Kanzleien und Praxen am 1. April 1933, der die Bochumer Juden in ihrer Gesamtheit traf und zu Ausschreitungen gegen einzelne jüdische Bürger führte, die Nürnberger "Rassegesetze" von 1935, die den jüdischen Deutschen ihre staatsbürgerlichen Rechte nahmen, Zwangsverkäufe jüdischen Eigentums, die als so genannte "Arisierung" zu einer gewaltigen Umschichtung ehemals jüdischen Grundbesitzes und Vermögens führten. Durch massive Einmischung der NSDAP-Gauleitung war unter anderem auch das im Besitz der jüdischen Familie Alsberg befindliche gleichnamige Kaufhaus "arisiert" und in die Kortum AG umgewandelt worden. Weitere Enteignungen folgten. Durch den Erwerb zahlreicher ehemals jüdischer Grundstücke weit unter Wert profitierte auch die Stadt Bochum.

Mit der Zerstörung der Synagogen in ganz Deutschland in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 erreichte die Verfolgung der Juden einen vorläufigen traurigen Höhepunkt. Auch die Bochumer Synagoge wurde von SA-Leuten und Sympathisanten bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Die relativ große Synagoge war den Nationalsozialisten in Bochum seit langem ein Dorn im Auge gewesen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sich in einem Gebäude direkt gegenüber die Gauleitung der NSDAP befand. In derselben Nacht wurden zahlreiche jüdische Wohnungen und Geschäfte demoliert und ausgeplündert, jüdische Bürger schikaniert und misshandelt. Die erwachsenen jüdischen Männer wurden verhaftet, ins Polizeigefängnis gebracht und anschließend ins Konzentrationslager Oranienburg-Sachsenhausen deportiert. Viele nicht-jüdische Bochumer schauten bei den Pogromen zu oder beteiligten sich. Die Zahl der jüdischen Einwohnerschaft Bochums hatte sich seit 1933 nahezu halbiert. Durch Emigrationen und die Ausweisung der aus Polen stammenden "Ostjuden" lebten im Oktober 1938 noch 644 Juden in Bochum.

Die jüdische Volksschule wurde während des Novemberpogroms ebenfalls verwüstet. Ihr Hauptlehrer Erich Mendel wurde verhaftet und die Schule 1939 geschlossen. Bis 1941 führte die Lehrerin Else Hirsch sie als private Schule weiter. Danach wurde das Gebäude zum so genannten "Judenhaus" umfunktioniert. Im Jahre 1942 lebten dort 13 jüdische Familien.

1947 wurde die Wilhelmstraße nach dem Bergarbeiterführer Otto Hue (1868-1922) in Huestraße umbenannt. Am 10. November 1968 wurde an der Seitenwand des Geschäftsgebäudes an der Huestraße 30 eine Gedenktafel zur Erinnerung an die zerstörte Synagoge angebracht. Nach den Worten des damaligen Oberbürgermeisters Heinemann während der Einweihungsfeier sollte sie "nicht nur der Erinnerung dienen", sondern "zugleich auch Mahnung und Verpflichtung sein".

Husemannplatz

Der 1873 im lippischen Leopoldsthal geborene Fritz Husemann siedelte 1892 ins Ruhrgebiet über.

Er war zunächst als Zechenmaurer und Bergmann in Dortmund tätig und zog später nach Bochum um. Nach dem großen Bergarbeiterstreik von 1893 intensivierte Husemann seine Arbeit im Bergbauindustriearbeiterverband. 1904 wurde er Gewerkschaftssekretär, 1919 Leiter des „Alten Verbandes". Daneben hatte Husemann wichtige politische Ämter inne: Er war Mitglied des Bochumer Arbeiterrates und Soldatenrates und der Preußischen Landesversammlung. Von 1924 bis 1933 war er Reichstagsmitglied.

Im März 1933 wurde der engagierte Gegner des Nationalsozialismus erstmals verhaftet. Nach seiner Entlassung blieb Husemann trotz zahlreicher Warnungen in Deutschland, um sich für inhaftierte Regimegegner einzusetzen.

Nach der vierten Verhaftung im März 1935 wurde Fritz Husemann in das KZ Papenburg-Esterwegen deportiert. Hier verstarb er zwei Tage nach seiner Einlieferung am 15. April 1935 an den Verletzungen, die Lagerwachen ihm willkürlich beigebracht hatten. Die offizielle Version lautete wie in so vielen anderen Fällen: „Auf der Flucht erschossen!"

1947 wurde der frühere Wilhelmsplatz in Husemannplatz umbenannt.

Husemannplatz

Die Gebäude der Bochumer Justizbehörden - Landgericht und Amtsgericht mit Gerichtsgefängnis und Staatsanwaltschaft - lagen im Gebäudekomplex ABC-Straße, Viktoriastraße, Junggesellenstraße.

Politische Gegner

Die politischen Gegner des NS-Regimes mussten einen Teil ihrer Untersuchungshaft im Bochumer Gerichtsgefängnis verbringen. Die Prozesse gegen sie wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" oder "Wehrkraftzersetzung" fanden vor dem Oberlandesgericht in Hamm statt.

Nach Verbüßung langjähriger Zuchthausstrafen drohte den politischen Gegnern in der Regel noch die Verschleppung ins Konzentrationslager - eine Praxis, die Gestapo und SS eingeführt hatten und für die es nicht einmal den Anschein einer juristischen Rechtfertigung gab.

Maßnahmen gegen jüdische Richter und Rechtsanwälte

Die vier am Landgericht und Amtsgericht tätigen jüdischen Richter: Landgerichtsdirektor Leo Nachmann, Landgerichtsrat Dr. Siegmund Loewenstein, Landgerichtsrat Alfred Cosmann und Amtsgerichtsrat Robert Samuelsdorff, wurden im April 1933 beurlaubt. Von den 22 jüdischen Rechtsanwälten wurden zehn Anwälte sofort mit Berufsverbot belegt. Einigen jüdischen Juristen aus Bochum gelang es, zu emigrieren.

In den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten ums Leben gekommen sind: Landgerichtsdirektor Leo Nachmann, die Rechtsanwälte Dr. Hugo Freudenberg, Dr. Siegmund Loewenstein, Dr. Josef Meyersberg, Dr. Wilhelm Rosenbaum und Gerichtsreferendar Josef Rosenthal.

Erbgesundheitsgericht beim Amtsgericht Bochum

Eine einschneidende Neuerung stellte "das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" dar. Mit dem 1. Januar 1934 kam es zur Einrichtung eines Erbgesundheitsgerichtes beim Amtsgericht. Das Gericht hatte zu entscheiden, ob Personen, bei denen "angeborener Schwachsinn", "Schizophrenie", "erbliche Blindheit", "Taubheit", "schwere körperliche Missbildungen" oder "schwerer Alkoholismus" diagnostiziert worden war, der Zwangssterilisation zu unterziehen seien. Allein in den ersten beiden Jahren seines Bestehens 1934/35 bearbeitete das Gericht 1291 "Fälle" und ordnete 930 mal die Sterilisation an. Mit den Bestimmungen des Erbgesundheitsgesetzes wurden aber auch immer häufiger Menschen erfasst, denen man vorwarf, notorische Querulanten zu sein.

1947 setzten die Alliierten das Gesetz außer Kraft. Erst 1998 wurden die Urteile der Erbgesundheitsgerichte generell als NS-Unrecht anerkannt.

Springerplatz

Der am 30. März 1895 im ostpreußischen Rauschgen geborene Karl Springer lebte in Weitmar. Zunächst war er Arbeiter, später wechselte er als Redakteur zur KPD-Tageszeitung "Ruhrecho". Nach der Eingemeindung Weitmars (1926) wurde er Mitglied der Stadtverordnetenversammlung.

Im Frühjahr 1933 war Springer als exponiertes KPD-Mitglied Ziel von Angriffen der Nazis. Er verlor nach dem Reichstagsbrand und dem faktischen Verbot der KPD seine Arbeitsstelle und seinen Sitz als Stadtverordneter und wurde mehrfach verhaftet.

Springer arbeitete fortan in der Illegalität. In der zweiten Jahreshälfte 1936 deckte die Gestapo die KPD-Organisation im mittleren Ruhrgebiet auf. Karl Springer wurde bei den Verhören derart misshandelt, dass er am 18. Oktober 1936 seinen Verletzungen erlag.

Alleestraße

Der Bochumer Verein (1965 Verschmelzung mit der Friedrich Krupp Hüttenwerke AG, heute Thyssen Krupp Stahl AG) war das größte Unternehmen und zugleich der größte Arbeitgeber in Bochum.

Nach 1933 profitierte das Hüttenwerk mit nachgeschalteten Stahlwerken und Bearbeitungsbetrieben von der Rüstungskonjunktur und profilierte sich neben Krupp und Rheinmetall als führender Hersteller von Geschützen und Granaten. Der wirtschaftliche Aufschwung ging einher mit der Öffnung des Unternehmens für die NSDAP und ihre Gliederungen. Nationalsozialistische Organisationen gewannen durchgreifenden Einfluss auf die gesamte Belegschaft: Der Bochumer Verein wurde zu einem "Nationalsozialistischen Musterbetrieb".
So war es sicher kein Zufall, dass eine Einheit der SA in den Räumen des Bochumer Vereins Unterkunft fand und die gnadenlose Verfolgung von Gegnern des NS-Regimesvor den Werkstoren nicht halt machte. Im Kosthaus Stahlhausen (an der Baarestraße), einem werkseigenen Wohnheim für ledige Arbeiter, die hier auch verpflegt wurden, befand sich eines der zahlreichen SA-Wachlokale. Im Keller des Gebäudes wurden politische Gegner gefangen gehalten, misshandelt und gefoltert.

Während des Zweiten Weltkrieges beschäftigte der Bochumer Verein Tausende von Zwangsarbeitern (zivile ausländische Arbeitskräfte, Kriegsgefangene und Häftlinge aus Konzentrationslagern) aus Westeuropa und Osteuropa. Der Bochumer Verein war damit der größte von der Zwangsarbeit profitierende Einzelbetrieb in Bochum. Noch Anfang 1945 setzte das Unternehmen weit über 7.500 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ein. Sie lebten in Lagern, größtenteils unter menschenunwürdigen Bedingungen. Dies trifft besonders für die Menschen zu, die in einem Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald auf dem Werksgelände des Bochumer Vereins (an der Brüllstraße) untergebracht waren. Eine große Zahl der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiterverstarb während der Kriegszeit infolge von Unterernährung, Auszehrung, Mangelerscheinungen oder Misshandlungen.

Willy-Brandt-Platz

Albert Schmidt und Hans Ehrenberg waren als Pfarrer der Altstadtgemeinde tätig. Albert Schmidt wirkte von 1926 bis 1938 an der Christuskirche, Hans Ehrenberg seit 1925 an der Pauluskirche. Beide Pfarrer gehörten zu den führenden Persönlichkeiten der Bekennenden Kirche.

Pfarrer Prof. Dr. Hans Ehrenberg, 1883 in eine jüdische Familie geboren und 1909 zum evangelischen Glauben konvertiert, war allein wegen seines früheren Bekenntnisses bereits vor 1933 Ziel zahlreicher nationalsozialistischer Diffamierungskampagnen.

In der Folgezeit war er wiederholt Verleumdungsaktionen und Hetzaktionen, unter anderem durch die SS-Zeitung "Schwarzes Korps" und durch die NSDAP-Gauleitung, ausgesetzt.
1937 beugte sich Ehrenberg dem Druck und ließ sich in den Ruhestand versetzen. Während der "Reichskristallnacht" wurde Hans Ehrenberg verhaftet und in das KZ Oranienburg verschleppt, wo er als Leichenträger tätig sein musste. Anfang 1939 kaufte der Bischof von Chichester Hans Ehrenberg von den Nazis frei und ermöglichte damit seine Emigration nach England.

Pfarrer Albert Schmidt vertrat in den Jahren 1930 bis 1933 als Abgeordneter den Evangelischen Volksdienst im Reichstag. Albert Schmidt wurde wegen seines Engagements für die Bekennende Kirche im Jahre 1938 ebenfalls von der Gestapo verhaftet. Er hatte von der Kanzel über die Verwüstungen in der Wohnung seines Amtsbruders Ehrenberg am 9. November berichtet. Nach einmonatiger Haft wurde er aus Bochum ausgewiesen und mit Redeverbot belegt. Er zog ins westfälische Werther, wo er 1940 seine Pfarrtätigkeit wieder aufnehmen durfte. Hier starb er am 20. November 1945 im Alter von 52 Jahren.

Nach Albert Schmidt wurde 1947 die frühere Roonstraße in Schmidtstraße umbenannt.

1983 erhielt der Platz am evangelischen Gemeindehaus an der Dibergstraße / Ecke Pieperstraße sowie das Gemeindehaus den Namen Prof. Hans Ehrenbergs.

Willy-Brandt-Platz

Das Bochumer Rathaus wurde in den Jahren 1926 bis 1931 erbaut.Nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933 (Ergebnis für Bochum: 36,7 Prozent NSDAP-Stimmen, 16,4 Prozent SPD, 16,3 Prozent KPD, 21,3 Prozent Zentrum) nahmen die Nationalsozialisten das Rathaus in Besitz: Am 6. März hissten sie auf dem Vorbau die "Fahnen der nationalsozialistischen Revolution". Am 11. März wurde Oberbürgermeister Dr. Otto Ruer seiner Amtsgeschäfte enthoben und vorläufig beurlaubt. Am 24. März wurde schließlich Dr. Otto Leopold Piclum zum Staatskommissar für Bochum bestellt.

Am 7. April 1933 trat die am 12. März unter scheindemokratischen Verhältnissen gewählte und nationalsozialistisch beherrschte Stadtverordnetenversammlung zusammen (Ergebnis der Kommunalwahl: 39,4 Prozent NSDAP, 15,4 Prozent SPD, 11,1 Prozent KPD, 23,2 Prozent Zentrum). Den acht KPD-Abgeordneten wurden die Mandate nicht zugeteilt. Gegen die Stimmen der SPD-Stadtverordneten verlieh die Stadtverordnetenversammlung in dieser Sitzung die Ehrenbürgerrechte an Adolf Hitler. An der darauf folgenden Sitzung nahmen die SPD-Verordneten nicht mehr teil. Der Stadtverordnetenvorsteher erklärte kurzerhand, sie hätten die Mandate niedergelegt.

Otto Piclum wurde am 28. Juli zum Oberbürgermeister gewählt und bestimmte als williges Werkzeug der NSDAP in den folgenden 10 Jahren die Geschicke der Stadt Bochum. Aufgrund einer zu geringen Profilierung im Sinne des Regimes wurde Piclum 1943 in den Ruhestand versetzt. Sein Nachfolger wurde Friedrich Hesseldieck.

Am 9. November 1984 beschloss der Rat der Stadt Bochum, Adolf Hitler das Ehrenbürgerrecht abzuerkennen. Zwar teile der Rat die allgemeine Rechtsauffassung, der zufolge ein Ehrenbürgerrecht mit dem Tode des Beliehenen erlischt, jedoch verlangten - so die Begründung des Ratsbeschlusses - ethische und moralische Gründe die ausdrückliche Aberkennung des Ehrenbürgerrechts für Adolf Hitler.

Imbuschplatz

Dieser Platz ist nach dem ehemaligen Vorsitzenden des Gewerkvereins Christlicher Bergarbeiter Deutschlands Heinrich Imbusch benannt, der 1933 aus Deutschland flüchten musste, 1942 illegal zurückkehrte und bis zu seinem Tod im Frühjahr 1945 von Essen aus im Widerstand arbeitete.

Während der NS-Zeit war der frühere Kaiser-Friedrich-Platz (1938 bis 1945 in "Platz der SA" umbenannt) ein beliebter Ort für Aufmärsche und Kundgebungen. Von hier ging am 30. Januar 1933 die Demonstration anlässlich der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler aus; hier fand am Abend des 9. Juni 1933 die von der Hitlerjugend und der Tageszeitung "Rote Erde" inszenierte Bücherverbrennung statt.

1947 erfolgte die Umbenennung des früheren Kaiser-Friedrich-Platzes in Imbuschplatz.

Uhlandstraße 35

Das Polizeipräsidium Bochum wurde 1929 nach mehrjähriger Bauzeit als Zentrale der staatlichen Polizei für Bochum, Witten, Hattingen, Wattenscheid, Wanne-Eickel, Herne und Castrop-Rauxel eingeweiht.

Polizeipräsident Stanislaus Graß, Mitglied der Zentrumspartei, zählte knapp vier Jahre später zu den ersten Opfern des NS-Regimes: Im Februar 1933 wurde er von den Nationalsozialisten abgesetzt. Den Posten des Polizeipräsidenten übernahm der Kasseler Stadtrat Konrad Sarrazin, ein williges Werkzeug der Nationalsozialisten. Sarrazin wiederum musste im Herbst 1933 dem SS-Standartenführer Fritz Schleßmann weichen.

Mit Schleßmann hatte das NS-Regime vollständigen Einfluss auf den Bochumer Polizei-Präsidialbezirk gewonnen. In der Folgezeit wurden zahlreiche Häftlinge im Polizeigewahrsam misshandelt und gefoltert.

Besonders grausam ging die Gestapo, die ihren Sitz im Polizeipräsidium hatte, gegen Regimegegner vor. Heinrich König und Karl Springer waren ihre prominentesten Opfer.

1942 wurde die Gestapo-Dienststelle in das Gebäude Bergstraße 76 und von dort nach teilweiser Zerstörung der Diensträume in ein Haus an der Parkstraße (heute: Am alten Stadtpark) verlegt.

Im März / April 1945 wurden vermutlich 22 Gestapo-Häftlinge, vor allem Zwangsarbeiter, im Keller des Hauses an der Bergstraße 76 von Gestapobeamten erschossen. Die Leichen der ersten Exekutionen im März wurden in einem Bombentrichter im Stadtpark vergraben. Am Karfreitag 1945 wurden einige der Häftlinge nach Dortmund überführt und vermutlich Opfer der Massenerschießungen im Rombergpark. Die noch verbliebenen 15 Gestapohäftlinge wurden zwischen dem 5. und 8. April 1945 erschossen und in einem Massengrab auf dem Freigrafendamm begraben.

Bergstraße

Nach den Intentionen der Veteranen des 4. Magdeburgischen Infanterieregiments Nr. 67 sollte das Kriegerdenkmal an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Regimentsangehörigen erinnern. Im August 1935 wurde es eingeweiht.

Das auf einem Entwurf des Bildhauers Walter Becker basierende Denkmal bestand aus einem in Ruhrsandstein gemauerten Block; davor standen zwei überlebensgroße Krieger, die die kaiserliche Armee und die nationalsozialistische Wehrmacht symbolisierten.

Das Denkmal war ein Beispiel martialischer NS-Kunst und seine Weihe stellte den Versuch dar, die Bevölkerung ideologisch auf künftige kriegerische Auseinandersetzungen des Reiches vorzubereiten.

Im Februar 1983 sägten Unbekannte die Bronzefiguren ab. Nach öffentlich geführter Diskussion beschloss der Rat der Stadt Bochum die Wiederaufstellung des Denkmals im Stadtarchiv und die Anbringung einer aufklärenden Tafel am früheren Standort.

Nordring 61, Hoffläche

Die Gewerkschaft Pluto, ein gewerblicher Garagenbetrieb und Kraftdroschkenbetrieb, hatte ihren Betriebssitz im Hintergebäude des Hauses Kanalstraße 40 (im Mai 1933 in "Horst-Wessel-Straße" umbenannt).

In der Zeit nach der "Machtergreifung" diente das Gebäude der SA als Stützpunkt; bis 1934 war auch die Gauleitung der NSDAP hier untergebracht. Im Hinterhaus logierte die SS-Standarte mit Standartenführer Fritz Schleßmann. In das Gebäude Kanalstraße 40 wurden Gegner der Faschisten verschleppt, gefoltert, misshandelt und dann - wie damals üblich - mit zerschundenem Körper irgendwo im Stadtgebiet frühmorgens ausgesetzt.

Oveneystraße

1925 wurde die Schachtanlage Gibraltar stillgelegt. Sieben Jahre später, auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise, nahm der rechtsgerichtete Stahlhelm-Bund der Frontsoldaten die leerstehenden Betriebsgebäude in Besitz und benannte sie nach Karl Duesterberg, dem Reichsvorsitzenden des Stahlhelm. In einem Teil des Gebäudekomplexes wurde ein Arbeitsdienstlager des freiwilligen Arbeitsdienstes eingerichtet, in dem Arbeitslose mit Notstandsarbeiten beschäftigt wurden. Seit dem 8. März 1933 befand sich im "Duesterberg-Haus" ein Führerschulungslager des freiwilligen Arbeitsdienstes.

Der westliche Gebäudekomplex wurde offensichtlich Anfang 1933 von der Bochumer SA-Standarte in Besitz genommen. Zahlreiche politische Gegner wurden auf Gibraltar misshandelt, zur Zwangsarbeit verpflichtet und von der SA über Monate hinweg rechtswidrig auf dem ehemaligen Zechenareal gefangen gehalten: Gibraltar war zu einem frühen beziehungsweise "wilden" Konzentrationslager geworden, das erst aufgelöst wurde, als mit Esterwegen, Dachau und anderen Lagern das KZ-System institutionalisiert wurde. Parallel zu dem "wilden" Konzentrationslager eröffnete die Bochumer SA-Standarte im Juni 1933 eine Führerschule auf Gibraltar.

Königsallee 178

Der "Konsumverein Wohlfahrt eGmbH", ein den Gewerkschaften nahe stehendes Unternehmen, expandierte bis 1933 zum größten Bezirkskonsumverein im Ruhrgebiet und baute ein umfassendes Netz von Läden auf, in denen Arbeiter und Bergleute Lebensmittel zu günstigen Preisen einkaufen konnten und zudem finanziell am Gewinn beteiligt waren.

Das 1914 bis 1916 an der Königsallee erbaute Verwaltungsgebäude mit großzügigen Räumlichkeiten für Bäckerei, Metzgerei, Lagerhallen, Verteilungshallen und Fuhrpark belieferte 113 Filialen in Bochum, Witten, Herne und Wanne-Eickel mit 30.000 Mitgliedern.

Nach der "Machtergreifung" wurde die gewerkschaftlich-sozialdemokratische Spitze des Konsumvereins entlassen, der Geschäftsumfang reduziert und schließlich 1941 eine "Gleichschaltung" als Filiale der "Gemeinschaftswerk Versorgungsring Bochum eGmbH" in die Deutsche Arbeitsfront (DAF) vollzogen.

Dennoch blieb der Konsumverein Wohlfahrt während der NS-Zeit ein Zentrum des gewerkschaftlich orientierten Widerstands. Zahlreiche Mitglieder wurden von der Polizei verhaftet und misshandelt. Alfred Jurke und Walter Stern bezahlten ihren Widerstand mit dem Leben. Eine Gedenktafel im Gebäude erinnert an ihr Schicksal.

Der KPD-Sympathisant Alfred Jurke, seit 1922 als Bäcker beim Konsumverein tätig, bis 1933 aktiver Gewerkschafter und Betriebsratmitglied, hatte Kontakt zur kommunistischen Widerstandsgruppe um Karl Springer und war zu illegaler Arbeit im Rahmen der Arbeitsfront bereit. Er warb Mitarbeiter für die Verteilung von Schriften und organisierte den Widerstand innerhalb des Konsumvereins. Alfred Jurke wurde im August 1942 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 3. Oktober 1942 hingerichtet.

Die Gebäude des Konsumvereins sind ein besonders geschichtsträchtiger Ort und stehen heute als anspruchsvolle Architektur und bedeutende Zeugnisse der Bochumer Geschichte unter Denkmalschutz. 1962 wurde der Konsumverein Wohlfahrt nach wirtschaftlichen Problemen von der Konsumgenossenschaft Dortmund-Hamm übernommen und 1969 in die COOP-Dortmund integriert. Die alte Zentrale an der Königsallee und zahlreiche Verkaufsstelle wurden aufgegeben.
Nachdem die G DATA Software AG bereits viele Jahre Teilmieter des Areals war, hat das Unternehmen 2014 (100 Jahre nach der Grundsteinlegung) das insgesamt 2,3 Hektar große Gelände an der Königsallee gekauft und gestaltet es zum G DATA Campus um. Fast 400 Mitarbeiter sind von hier aus für den Sicherheitssoftwarehersteller tätig. Mit der Standortexpansion beabsichtigt G DATA die Mitarbeiterzahl in den kommenden Jahren zu verdoppeln.

Wasserstraße / Königsallee

Der jüdische Friedhof an der Wasserstraße wurde im Jahre 1917 im Zuge einer Erweiterung des seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bestehenden kommunalen Friedhofs in Wiemelhausen angelegt. Erste Bestattungen fanden hier im Jahre 1918 statt.

Als 1954 im Zuge der Anlegung des neuen Hauptbahnhofs die zwei jüdischen Friedhöfe an der Friedhofstraße / Wittener Straße aufgelassen werden mussten, wurden die Toten zur Wasserstraße umgebettet und die Grabdenkmäler ebenfalls dorthin versetzt.

Auf dem Friedhof sind unter anderem 52 Opfer aus dem KZ-Außenlager beim Bochumer Verein beigesetzt sowie zwei Urnen von KZ-Opfern aus Dachau und Oranienburg. Im Jahre 1965 ließ die Stadt Bochum in Absprache mit der jüdischen Gemeinde gleichartige Grabsteine (versehen mit Namen, Lebensdaten und dem Davidstern als Schmuckornament) anfertigen.

An der Trauerhalle befindet sich eine Gedenktafel für den Bochumer Rabbiner Dr. Moritz David, in dessen Amtszeit 1901 bis 1936 der Friedhof errichtet wurde.

Heinrich-König-Straße

Der 1886 in Weitmar geborene Knappschaftsbeamte Heinrich König trat 1918 der SPD bei und wurde Ende 1919 Beigeordneter des Amtes Weitmar und stellvertretender Amtmann.

Nach 1925 widmete sich König ganz der Kommunalpolitik. Mit der Eingemeindung Weitmars (1926) wurde er in die Bochumer Stadtverordnetenversammlung gewählt. Später übertrug man ihm den Fraktionsvorsitz der SPD und wählte ihn zum Bochumer Parteivorsitzenden.

In der Nacht vom 10. zum 11. März 1933 war das Haus Heinrich Königs Ziel eines Überfalls von SA- und SS-Angehörigen. Es kam zu einem Schusswechsel, bei dem ein SS-Mann verletzt wurde. König wurde schließlich überwältigt und der Polizei übergeben. Die SA glaubte wohl an seine Verurteilung wegen Widerstandes und Körperverletzung; das Gericht billigte ihm jedoch Notwehr zu. König floh, um sich einem erneuten Zugriff der SA zu entziehen, in das unter Völkerbundverwaltung stehende Saargebiet.

1935 emigrierte er - vor der Rückgliederung des Saargebietes - weiter nach Frankreich, ließ sich im südfranzösischen Agen nieder. Im Februar 1943 spürte die Gestapo König auf, verhaftete ihn und brachte ihn nach Bochum. Hier starb er am 7. Mai 1943 nach schweren Misshandlungen durch die Gestapo im Gerichtsgefängnis.

Im März 1946 wurde Heinrich König vom Friedhof Freigrafendamm auf den Kommunalfriedhof Weitmar umgebettet. Der Gedenkstein wurde 1976 enthüllt.

Am Röderschacht

Im Jahre 1933 formierte sich eine Gruppe von Sympathisanten und Mitgliedern der KPD in den südwestlichen Stadtteilen sowie in den Nachbargemeinden Winz-Baak, Hattingen und Welper.

Politischer Leiter war Emil Marre, Organisationsleiter Bernhard Schnarr; beide wohnten, wie zahlreiche andere Mitglieder der Gruppe, in der Bergarbeitersiedlung "Am Röderschacht".

Die Mitglieder tauschten Zeitungen, Flugblätter und Tarnschriften aus und kassierten Beiträge für die illegale KPD. Zeitweise stellten sie eigene Flugblätter her.

Bevor sich dieser lockere organisatorische Zusammenschluss weiter verfestigen konnte, erfuhr die Gestapo von dieser Widerstandsgruppe: Im Dezember 1934 nahm sie 36 Personen fest. Während einige Gruppenmitglieder nach einigen Wochen freigelassen wurden, erhob man gegen die Initiatoren Anklage wegen Vorbereitung zum Hochverrat - 32 KPD-Mitglieder wurden schließlich verurteilt.

Herbergsweg 1

Die 1923 gegründete Ortsgruppe Linden-Dahlhausen des Touristenvereins "Die Naturfreunde" errichtete 1928 / 1929 ein Vereinsheim am Hedtberg.

Es diente den Naturfreunden, der SPD, der Sozialistischen Arbeiterjugend und Sportvereinen als Tagungsort und Veranstaltungsort.

Im Frühjahr 1933 wurde das Naturfreundehaus von Nationalsozialisten beschlagnahmt: Eine SA-Einheit nistete sich dort ein, folterte und misshandelte zahlreiche politische Gegner aus dem Raum Linden-Dahlhausen.

Die Nationalsozialisten wollten zwar das Haus in Besitz nehmen, nicht aber die noch hohe Hypothekenbelastung abtragen. Das Gebäude ging daher in das Eigentum der Stadt Bochum über, die über die Städtische Sparkasse die Baudarlehen gewährt hatte.

In der Folgezeit stellte die Stadt das Haus der Hitlerjugend zur Verfügung. Erst in der Nachkriegszeit konnte der wieder neu gegründete Touristenverein "Die Naturfreunde" das Haus übernehmen.

Kohlenstraße / Brüllstraße

An der Brüllstraße, auf dem Werksgelände des Bochumer Vereins, wurde im Juni 1944 ein Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald eingerichtet.

Am 21. Juni 1944 traf ein erster Eisenbahntransport mit 446 Menschen aus dem Konzentrationslager und Vernichtungslager Auschwitz in Bochum ein. Dabei handelte es sich überwiegend um jüdische Häftlinge, die zuvor aus ihren Heimatländern nach Auschwitz deportiert worden waren: Der Großteil von ihnen stammte aus Ungarn, andere waren tschechischer, russischer, polnischer oder rumänischer Nationalität. Weitere Transporte sollten folgen: im August 1944 kamen 400 bis 500 Häftlinge aus dem KZ Buchenwald, im Oktober / November erneut 270 Häftlinge aus Auschwitz und 500 Häftlinge aus dem KZ Neuengamme nach Bochum. Die Mehrzahl der im Außenlager an der Brüllstraße untergebrachten Häftlinge waren Juden, darunter auch einige deutsche Juden. Mit 1.627 registrierten Personen erreichte das Lager im Dezember 1944 die höchste Belegungsstärke.

Zur Bewachung der Häftlinge waren SS-Wachen des KZ Buchenwald zum Außendienst nach Bochum abkommandiert worden. Kommandant des KZ-Außenlagers Bochumer Verein war Hermann Großmann, ein Obersturmführer der Waffen-SS. Nach dem Krieg wurde Großmann von einem amerikanischen Militärgericht zum Tode verurteilt und im November 1948 in Landsberg am Lech hingerichtet.

Ein Teil der KZ-Häftlinge beim Bochumer Verein musste in körperlicher Schwerstarbeit Bauarbeiten und Erdarbeiten im Lager verrichten, die anderen wurden in der Geschossfabrik des Bochumer Vereins eingesetzt: im Pressbau und in der Dreherei. Arbeitsunfälle der ohne Schutzkleidung an den Pressen und Drehbänken arbeitenden Menschen sowie Misshandlungen durch die Vorarbeiter im Betrieb und die SS-Wachen im Lager waren an der Tagesordnung.

Zahlreiche Häftlinge waren den unmenschlichen Anforderungen der Zwangsarbeit bei gleichzeitiger unzureichender Unterbringung und Ernährung nicht gewachsen. Im Januar 1945 wurde ein Transport "unbrauchbarer" Häftlinge zusammengestellt und nach Buchenwald geschickt - für viele ein Weg in den Tod. Aber auch im Bochumer Lager fanden zahlreiche Häftlinge den Tod. Ihre genaue Zahl ist nicht bekannt. Von Werksärzten des Bochumer Vereins wurden 108 Todesfälle beurkundet. Die Leichen von 52 jüdischen Häftlingen des KZ-Außenlagers Bochumer Verein wurden auf dem jüdischen Friedhof an der Wasserstraße beigesetzt. 16 nichtjüdische KZ-Häftlinge wurden auf dem Hauptfriedhof Freigrafendamm bestattet.

Im Frühjahr 1945 rückten die Alliierten auf das Ruhrgebiet vor, so dass die SS das Lager auflöste. Im März 1945 wurden die verbliebenen 1.326 Häftlinge zusammen mit den Wachmannschaften
nach Buchenwald geschickt. Nur wenige von ihnen dürften dort die Befreiung durch amerikanische Truppen erlebt haben.

Ein weiteres Außenlager des KZ Buchenwald bestand in Bochum bei der Eisen- und Hüttenwerke AG (nach dem Krieg: Stahlwerke Bochum AG, heute: EBG Gesellschaft für elektromagnetische Werkstoffe mbH). Es wurde im August 1944 eingerichtet und ebenfalls im März 1945 aufgelöst. In diesem Unternehmen wurden circa 650 Häftlinge zur Zwangsarbeit eingesetzt.

Graf-Adolf-Straße

Der jüdische Friedhof im Stadtteil Wattenscheid besteht seit dem 17. Jahrhundert. Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Gräber von Nationalsozialisten zerstört, die Grabsteine teilweise zerschlagen und das Areal als Abladeplatz für den Trümmerschutt von Gebäuden benutzt.

Nach Kriegsende zwang man ehemalige führende Nationalsozialisten, das Friedhofsgelände eigenhändig zu räumen. Von den in der NS-Zeit entfernten Grabsteinen wurden 21 bei einem Steinmetz sichergestellt und anschließend auf den rekonstruierten Friedhof wieder aufgestellt. Ein 22. Grabstein wurde nachträglich angefertigt. 1972 wurde von der Stadt Wattenscheid ein Gedenkstein auf dem Friedhof aufgestellt.

Oststraße 18

Der älteste Betraum der jüdischen Gemeinde Wattenscheid lag im oberen Stockwerk eines Privathauses an der Oststraße (heute Haus-Nummer 12). 1827 bis 1829 wurde ein Neubau errichtet, der hinter der Oststraße verborgen lag, da jüdische Gotteshäuser damals nicht an der Straßenfront errichtet werden durften.

Die Wattenscheider Synagoge wurde am Morgen des 10. November 1938 in Brand gesetzt. Der untere Teil der Außenmauer blieb jedoch erhalten und diente, mit einem neuen Dach versehen, bis vor einigen Jahren als Lagerraum. auch dieser Rest musste inzwischen einer geplanten Neubebauung des Geländes weichen.

Eine Gedenktafel in der Passage auf dem Nassgelände erinnert seit 1990 in hebräischer und deutscher Sprache an die Nacht vom 9. / 10. November 1938.

Herner Straße 462

In der Gaststätte Dorlöchter trafen sich ab Juni 2943 in regelmäßigen Abständen die Arbeiter Moritz Pöppe, Johann Schmitfranz und Adolf Lotz und diskutierten die militärische und politische Situation. Pöppe war seit 1921 KPD und gehörte den freien Gewerkschaften und dem Metallarbeiterverband an.

Pöppe und Schmitfranz berichteten über Sendungen des britischen und sowjetischen Rundfunks. Außerdem wurden über Bochum abgeworfene alliierte Flugblätter ausgetauscht. Die Treffen fanden seit 1940 jeden Samstag in der Gastwirtschaft Schütte und nach der Bombardierung 1943 in der Gaststätte Dorlöchter statt.

Die Gruppe um Pöppe und Schmitfranz wurde im August 1943 von der Gestapo verhaftet; den Hauptbeschuldigten wurde im Oktober 1944 vor dem Volksgerichtshof der Prozess gemacht. Pöppe und Schmitfranz wurden wegen Vorbereitung zum "Hochverrat", "Feinbegünstigung" und "Wehrkraftzersetzung" zum Tode verurteilt, Lotz zu zehn Jahren Zuchthaus. Die Todesurteile wurden Anfang November 1944 im Zuchthaus Brandenburg / Havel vollstreckt.

Hegelstraße 32

Nachdem Anfang Februar 1933 ein SA-Mann bei einem politischen Zusammenstoß erschossen worden war, nahm die Gerther SA dieses Ereignis zum Anlass, um in der ehemaligen weltlichen Schule an der Hegelstraße eine ständige SA-Wache einzurichten.

In der Folgezeit "fahndete" die Gerther SA nach den politischen Gegnern und "verhaftete" dabei wahllos Mitglieder von SPD, KPD und Gewerkschaften.

Die "Verhafteten" wurden in die Schule Hegelstraße verschleppt, wo man sie folterte und über Tage und Wochen hinweg gefangen hielt.

Unmittelbar oder mittelbar durch die Folterungen in der Hegelschule zu Tode gekommen sind: Richard Goletz, Albert Ortheiler , Johann Sigl und Heinrich Fischer, Gemeindeverordneter der KPD in Gerthe. Nach Letztgenannten wurde 1947 eine Straße benannt. Der Tod von drei weiteren SA-Opfern konnte nie geklärt werden. Insgesamt wurden von Anfang Februar bis Ende Juli 1933 zwischen 40 und 50 Nazigegner misshandelt.

Eine Beurteilung der Polizei aus dem Jahre 1948 charakterisiert die Zustände in der Hegelschule: "Die Verbrechen, welche im Jahre 1933 von den Angehörigen der SA an den Gegnern des Nationalsozialismus begangen wurden, stehen den Verbrechen in den KZ-Lägern nicht nach."

1984 wurde auf Anregung der Deutschen Kommunistischen Partei eine Gedenktafel am Gebäude angebracht.

Lütge Heide

Unmittelbar nach dem Kapp-Putsch von 1920 wurde ein Mahnmal auf dem Werner Friedhof errichtet. Ursprünglich war es den Opfern aus den Reihen der Arbeiterbewegung gewidmet, die während des rechtsgerichteten Angriffs gegen die Weimarer Republik ihr Leben verloren.

1933 wurde das Denkmal von Friedhofsarbeiten entfernt, in den Kellerräumen der Kapelle versteckt und so dem Zugriff der Nationalsozialisten entzogen.

1945 wurde es mit einer erweiterten Inschrift für die Opfer des Spanischen Bürgerkrieges und die Opfer des Widerstandes gegen das NS-Regime am ursprünglichen Standort wieder aufgestellt.

Freigrafendamm

Der Zentralfriedhof geht auf Planungen aus den 20er Jahren zurück. 1927/28 begann die gärtnerische Ausgestaltung; im April 1935 fand die erste Beisetzung statt. 1935 bis 1939 entstand - in drei Bauabschnitten - die Gebäudeanlage. Auch wenn mit den Planungen bereits früher begonnen wurde, so ist es doch die Bauphase in der Zeit des Nationalsozialismus, die das Erscheinungsbild des Friedhofs prägt. Die Bauten  (Friedhofsverwaltung, Eingangsbereich, große Trauerhalle mit Krematorium und kleine Trauerhalle) wurden im Sinne repräsentativer nationalsozialistischer Bauauffassung gestaltet. Der Friedhof Freigrafendamm ist der Ort in Bochum, der am deutlichsten die NS-Architektur widerspiegelt. 1939 fertig gestellt, sollten die Bauten auf dem Freigrafendamm wenige Jahre später die Kulisse für die martialischen Totenfeiern abgeben, mit denen das Regime seiner Bombenopfer gedachte.

Die Mehrzahl der Bombenopfer aus der Bochumer Innenstadt sowie 295 deutsche Soldaten des Zweiten Weltkrieges sind auf dem Friedhof bestattet.

In den Nachkriegsjahren wurde ein Ehrenrundplatz sowie eine Ehrenstätte mit Urnengräber, Einzelgrabmalen und einem Gemeinschaftsgrabmal für politisch verfolgte und in verschiedenen Konzentrationslagern ermordete Bochumer Bürger auf dem Friedhof angelegt.

Ein Denkmal (Hochkreuz und Mosaikwand) gegenüber der großen Trauerhalle erinnert an alle Kriegstoten. Die Mosaikwand wurde 1955 von Ignatius Geitel entworfen und ausgeführt. Sie zeigt eine Darstellung der Niobe, eine Gestalt aus der antiken Mythologie, die um ihre Kinder trauert.

Auf dem Gräberfeld 19, 19 a und 34 wurden 1720 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter verschiedener Nationalität bestattet, die meisten von ihnen aus der ehemaligen Sowjetunion. Insgesamt haben über 2000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ihren Arbeitseinsatz in Bochum nicht überlebt.

Ein 1965 aufgesetztes Gemeinschaftsgrabmal (sarkophagähnlicher Ruhrsandsteinblock mit russischer und deutscher Aufschrift) erinnert an die in Bochum umgekommenen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Es dient als Ersatz für ein 1946 eingeweihtes, neun Meter hohes, mit kyrillischen Inschriften, einer männlichen Figur und einem Sowjetstern versehenes Denkmal, das auf Wunsch sowjetischer Stellen errichtet worden war. Vielen Bochumern missfiel dieses Mahnmal. 1964 wurde es entfernt.

Ein vom Stadtarchiv erarbeitetes Gedenkbuch für die Opfer der Zwangsarbeit in Bochum enthält die Namen der auf dem Friedhof Freigrafendamm bestatteten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Es kann auf dem Friedhof (Trauerhalle) oder im Stadtarchiv eingesehen werden.

Kaltehardtstraße 67

Auf dem Gelände der Ziegelei Niederwestermann wurde im Frühjahr 1933 ein so genanntes SA-Heim eingerichtet.

Orstansässige SA-Mitglieder zwangen politische Gegner und andere, in Langendreer Häuserfassaden zu reinigen. Bei dieser Aktion, die unter Spott und Zustimmung zahlreicher Bürger durchgeführt wurde, mussten die Betroffenen Pappschilder mit diffamierenden Aufschriften um den Hals tragen.

Anschließend wurden sie in das SA-Heim verschleppt, dort grausam zusammengeschlagen und misshandelt. Viele der Opfer - darunter Wilhelm Jacobi - mussten danach stationär im Krankenhaus behandelt werden.

Wilhelm Jacobi war von 1920 bis 1929 Amtmann des Amtes Langendreer und nach dem Krieg Oberstadtdirektor in Wanne-Eickel.

Beispiel: Franzstraße 11

Am 30. April 1939 wurde das "Gesetz über die Mietverhältnisse mit Juden" erlassen. Wie zahlreiche andere seit 1933 erschienene Gesetz und Verordnungen trug es dazu bei, das Leben jüdischer Familien weiter zu reglementieren. Juden und "Arier" sollten nicht mehr unter einem Dach wohnen. Mietverhältnisse mit Juden konnten nur nach Belieben aufgehoben werden. Selbst jüdische Hauseigentümer mussten aus ihren Häusern ausziehen, wenn "Arier" dort zu Miete wohnten.

Mit Hilfe der Stadtverwaltung wurden jüdische Familien erfasst und zwangsweise in so genannten "Judenhäuser" einquartiert. Dies waren in der Regel Häuser, die sich in jüdischem Eigentum befanden. In Bochum gab es "Judenhäuser" in der Franzstraße 11, Horst-Wessel-Straße 56 (heute Nordring), Rottstraße 9, Rottstraße 11, Goethestraße 9, Widumestraße 11, Rheinische Straße 28 (am Nordbahnhof) und im Gebäude der früheren jüdischen Schule in der Wilhelmstraße 16 (heute Huestraße). Das einzige "Judenhaus" in Wattenscheid befand sich ebenfalls in der ehemaligen jüdischen Schule in der Voedestraße.

Die Erfassung der jüdischen Bevölkerung und ihre Konzentration in den so genannten "Judenhäusern" war eine wichtige Vorstufe für die im Herbst 1941 beziehungsweise Januar 1942 einsetzenden Deportationen in die Konzentrationslager und Vernichtungslager in Osteuropa.

Das Haus Franzstraße 11 wurde 1941 / 1942 "arisiert". Die dort lebenden jüdischen Familien wurden 1942 deportiert oder in ein anderes "Judenhaus" umquartiert.

Ostring

Die seit dem Machtantritt der Nationalsozialisten betriebene stufenweise Entrechtung der jüdischen Bevölkerung in Deutschland zielte zunächst darauf ab, sie aus dem Land zu treiben. Anhand der Bochumer Zahlen lässt sich gut nachvollziehen, dass diese Politik "erfolgreich" war: Lebten 1932 noch über 1.100 Juden in Bochum, so sank ihre Zahl bis Oktober 1938 auf 644 und nahm auch danach stetig weiter ab. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 allerdings waren Auswanderung und Flucht kaum noch möglich.

Im Herbst 1941 begann die systematische Vernichtung der Juden aus ganz Europa. Die Details zur Durchführung des geplanten Massenmordes wurden während der "Wannsee-Konferenz" im Januar 1942 verabredet. Bochum hatte jetzt nur noch wenige jüdische Einwohner (am 19. Februar 1941 waren es 253). Ihre letzte Bochumer Adresse waren die so genannten "Judenhäuser" in der Innenstadt.

Ab Januar 1942 wurden die noch in Bochum und Wattenscheid lebenden Juden deportiert. Mit Lastwagen, Bussen oder Zügen wurden sie zunächst nach Dortmund gebracht, wo Juden aus dem Regierungsbezirk Arnsberg konzentriert und dann in Sammelzügen der Reichsbahn in die überwiegend in Osteuropa liegenden Konzentrationslager und Vernichtungslager transportiert wurden. Sammeltransporte mit mehreren Tausend Menschen gingen von Dortmund aus unter anderem nach Riga (Lettland) am 27. Januar 1942, nach Zamosc (in der Nähe von Lublin, Polen) am 27. April 1942, nach Theresienstadt (Tschechoslowakei) am 29. Juli 1942 und 5. März 1943 sowie nach Auschwitz (Polen) am 1. März 1943.

Auch Bochum selbst war "Sammelort" für die jüdische Bevölkerung aus den umliegenden Orten. So wurden beispielsweise Juden aus Witten zunächst nach Bochum gebracht und dann zusammen mit den Bochumer und Wattenscheider Juden über Dortmund in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. Der Bochumer Ausgangspunkt für die Deportationen war in der Regel der Nordbahnhof.

Wie viele Menschen aus Bochum und Wattenscheid deportiert wurden, lässt sich heute nicht mehr genau ermitteln. In dem Gedenkbuch "Opfer der Shoa aus Bochum und Wattenscheid" werden die Namen von 500 Bochumer und 77 Wattenscheider Juden genannt, die in den Vernichtungslagern starben.

Der Bochumer Nordbahnhof war auch Ausgangspunkt für Züge, mit denen Sinti und Roma aus Bochum und Umgebung ab März 1943 in mehreren Transporten deportiert wurden. Wie die Juden wurden auch Sinti und Roma aus rassistischen Gründen verfolgt. Ihre Deportation erfolgte aufgrund des so genannten "Auschwitz-Befehls" Heinrich Himmlers (Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei) vom 16. Dezember 1942.

Das Ziel der nach dem Befehl Himmlers einsetzenden Deportationszüge für Sinti und Roma aus elf europäischen Ländern war Auschwitz-Birkenau, wo im Februar 1943 ein spezielles "Zigeunerfamilienlager" eingerichtet worden war. Viele Sinti und Roma stehen in den Gaskammern des Vernichtungslagers Birkenau. Andere wurden in andere Konzentrationslager weiter geleitet, nachdem das "Zigeunerfamilienlager" aufgelöst worden war. Die Zahl der insgesamt umgebrachten Sinti und Roma wird auf zwischen 220.000 und 500.000 geschätzt.

Hofsteder Straße

Solange Sinti und Roma mit ihren Zigeunerkapellen in den Dörfern und Städten aufspielten und mit ihren fremd anmutenden Klängen zur Unterhaltung der einheimischen Bevölkerung beitrugen, waren sie gern gesehen. Wollte das "Fahrende Volk" aber länger am Ort bleiben, stießen sie immer wieder auf Schwierigkeiten.

In Bochum hatten sich im Sommer 1929 mehrere Familien mit etwa 30 Personen auf einem Grundstück nahe der Feldsieper Schule niedergelassen, mussten den Platz aber nach kurzer Zeit wieder räumen, da Anwohner und Elternschaft der Schule mit ihrer Klage vor dem Oberverwaltungsgericht Erfolg hatten. Auch in Laer, wo Sinti und Roma am Werner Hellweg ihr Winterquartier 1931/32 bezogen hatten, mussten sie den Platz wieder verlassen.

Die Diskriminierung der Sinti und Roma hat eine lange Tradition. Aber erst die Nationalsozialisten schufen die Voraussetzungen für ihre systematische Verfolgung. Zahlreiche rassistisch ausgeprägte Gesetze, die sich gegen Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle und weitere aus der Gesellschaft ausgegrenzte Gruppen richteten, belegen dies.

Eines der ersten Gesetze des "Dritten Reiches", das Sinti und Roma neben der verschärften Diskriminierung auch körperlich bedrohte, war das "Gesetz zur Verhütung des erbkranken Nachwuchses" vom 14. Juli 1933. Sinti und Roma gerieten vor allem wegen angeblichen "erblichen Schwachsinns" in das Räderwerk des Erbgesundheitsgerichtes. Am Ende stand häufig die Zwangssterilisation.

Der 1936 erschienene Kommentar zum "Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" vom 15. September 1935 führte aus: "Artfremden Blutes sind in Europa regelmäßig nur die Juden und Zigeuner."

Die Rassenhygienische Forschungsstelle beim Reichsgesundheitsamt in Berlin stellte die Rassezugehörigkeit und Aufenthaltsorte der etwa 30.000 im Reich lebenden deutschen "Zigeuner" und nach "Zigeunerart" herumziehenden Personen fest. Seit 1936 unterstützten die örtlichen Standesämter und Gesundheitsämter die Forschungsstelle. Ab 1939 war es den Sinti und Roma dann nicht mehr erlaubt, einen Ortswechsel vorzunehmen.

Ein Zigeunerlager, wie es in vielen anderen Städten des Reiches zu finden war, existierte in Bochum nicht. Die Familien waren in städtischen Obdachlosenasyl in der Meesmannstraße 117 und am Krüzweg 44 a untergebracht. Ab August 1941 erfolgte die Kennzeichnung Z (für Zigeuner) und ZM (für Zigeunermischling). Im März und Oktober 1943 wurden die Familien verhaftet und vom Nordbahnhof nach Auschwitz deportiert. Hier und in anderen Vernichtungslagern starben mehrere Hunderttausend Sinti und Roma, darunter zahlreiche Menschen aus Bochum und Wattenscheid.

Zu ihnen gehörte auch die 1878 in der Schweiz geborene Appolonia Pfaus, eine Mutter von elf Kindern. Drei ihrer erwachsenen Söhne sind mit ihren Familien von der Meesmannstraße nach Auschwitz deportiert worden. Appolonia Pfaus, die mitansehen musste wie auch ihr Sohn Peter und seine Familie deportiert wurden, hat sich dem Transport angeschlossen. Sie starb in Auschwitz - wie die meisten ihrer Familienangehörigen. Stellvertretend  für die Bochumer Sinti- und Romafamilien ist 2004 der Park an der Windmühlenstraße in Appolonia-Pfaus-Park benannt worden.

Altbau an der Freiheitstraße

Nach den Reichstagswahlen vom 5. März 1933 vollzog sich auch im Rathaus Wattenscheid die "Machtergreifung" durch die Nationalsozialisten. Bereits am nächsten Tag maschierten NSDAP-Formationen zum Rathaus, um die Hakenkreuzfahne als ernanntes Symbol des Deutschen Reiches zu hissen. Der damals amtierende Oberbürgermeister Dr. Ueberhorst verweigerte die hierfür notwendige Genehmigung. Am 3. April 1933 wurde Dr. Ueberhorst seines Amtes enthoben und vorläufig in "Schutzhaft" genommen. Sein Nachfolger wurde der nationalsozialistische Gerichtsassessor Dr. Hans Petri.

Mit den Stadtratswahlen vom 12. März 1933 erhielt die NSDAP die Mehrheit der politischen Mandate und damit die Handhabe, zahlreiche Maßnahmen des nationalsozialistischen Gleichschaltungsprozesses in Staat und Gesellschaft durchzusetzen. So wurden etwa innerhalb der Stadtverwaltung bereits kurze Zeit später die "parteiuntreuen" Verwaltungsbeamten von ihren Aufgaben entbunden und die kommunistischen Abgeordneten von den Stadtverordnetensitzungen ausgeschlossen. Im Sinne der nationalsozialistischen Familienpolitik erfolgte schließlich die Kündigung aller weiblichen Stadtangestellten mit der Begründung, dass nur die Berufstätigkeit eines Mannes und nicht die Tätigkeit einer Frau die Grundlage für eine Familie bilden könne.

Am 3. April 1933 stimmte die große Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung dem Antrag zu, Adolf Hitler das Ehrenbürgerrecht seitens der Stadt Wattenscheid zu verleihen. 1984 beschloss der Rat der Stadt Bochum, Adolf Hitler das Ehrenbürgerrecht ausdrücklich abzuerkennen. Zwar teile der Rat der Stadt Bochum die allgemeine Rechtsauffassung, nach der ein Ehrenbürgerrecht mit dem Tod des Beliehenen erlösche, jedoch betonte der Rat in seinem Beschluss: "seine unsäglichen Verbrechen haben ihn von jeher und für immer aus dem Kreise derjenigen ausgeschlossen, derer die beiden früheren Städte und die heutige Stadt Bochum als ehemaligen Ehrenbürger in Anerkennung gedenken."

Eine Gedenktafel am Rathaus Wattenscheid erinnert heute an den demokratischen Wiederaufbau der Stadt nach 1945.

Voedestraße 19

Um die Jahrhundertwende waren von 30.287 Einwohnern Wattenscheids 213 Bürger jüdischen Glaubens. 1936 lebten nur noch 101 Juden in Wattenscheid. 1939 sank ihre Zahl auf 48.

Am 30. Oktober 1897 erhielt die jüdische Gemeinde in Wattenscheid ein eigenes Schulgebäude, das zugleich auch als Gemeindehaus diente. Mit Wirkung zum 1. April 1899 wurde die bislang privat geführte Volksschule mit städtischen Haushaltsmitteln finanziert und erhielt somit den Charakter einer öffentlichen Lehranstalt. Der Unterricht musste 1922 aufgrund mangelnder Schülerzahlen eingestellt werden.

Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde die "alte Judenschule" zum so genannten Judenhaus umfunktioniert. In ihr wurden seit dem 17. November 1941 alle jüdischen Wattenscheider zwangsuntergebracht, die sich zu diesem Zeitpunkt noch im Stadtgebiet aufhielten. Am 28. April und 11. Mai 1942 erfolgte ihr Abtransport in die Vernichtungslager.

Das Gebäude der ehemaligen jüdischen Volksschule selbst überdauerte als Wohnhaus die Zeit des Zweiten Weltkrieges. Im Zuge der Neugestaltung der Wattenscheider Innenstadt wurde es 1962 abgerissen.

Maxstraße 16

Charles Taze Russel gründete die erste Bibelforschergruppe im Oktober 1876 in den USA. Im deutschsprachigen Raum war sie von 1913 an tätig. Die Umbenennung in Zeugen Jehovas erfolgte 1931. Die Zahl der aktiven Mitglieder war inzwischen auf rund 25.000 angestiegen.
Grundlegend für die Zeugen waren neben der prinzipiell autoritären Ausrichtung, der hierarchisch gegliederte, streng zentralistische Aufbau sowie die Hingabe des Einzelnen unter Zurückstellung der persönlichen Interessen gegenüber der Lehre. Dem nationalsozialistischen Führerstaat stand das Königreich Gottes gegenüber.
Im Frühsommer 1933 wurde auf der Grundlage der Notverordnung vom 28. Februar 1933 die Glaubensgemeinschaft aufgelöst und ihr gesamtes Vermögen beschlagnahmt. Von nun an stand nicht nur die Herstellung und der Vertrieb von Schriften, sondern jegliche Betätigung im Sinne der Glaubensgemeinschaft unter Strafe. Trotz der wachsenden Verfolgungsmaßnahmen führten die Zeugen Jehovas ihr dem Gott Jehova gewidmetes Leben fort. Das bedeutete im täglichen Leben, Auseinandersetzungen in Beruf, Schule und Öffentlichkeit. Sie verweigerten den Hitler-Gruß, da man von Hitler kein Heil erhoffte, sowie die Teilnahme am Wehrdienst und an Luftschutzübungen. In ganz Deutschland wurden 10.000 deutsche Zeugen Jehovas Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, 8.000 verhaftet und verurteilt, etwa 1.400 kamen durch Verfolgungsmaßnahmen zu Tode, über 300 wurden hingerichtet.

Der Bochumer Gemeinde gehörten in der Weimarer Zeit circa 100 Mitglieder an. Man traf sich anfangs in der Wohnung des Ältesten Franz Kusserow in der Jakobstraße 6, dann in einem angemieteten Saal im Hinterhof der Jakobstraße 6. Die städtische Badeanstalt an der Marienstraße stellte ihre Räumlichkeiten zur Abhaltung von Taufen zur Verfügung. Bochum war eine der größten Ortsgruppen der internationalen Bibelforschervereinigung in Westfalen und ab 1933 übernahmen immer mehr Bochumer Bibelforscher führende Funktionärstätigkeiten.
1937/38 standen über 40 Zeugen Jehovas aus Bochum und Wattenscheid vor dem Sondergericht, mindestens 39 wurden verurteilt (26 Männer, 13 Frauen). Soweit feststellbar wurden zwölf direkt im Anschluss an die Verbüßung der Strafe vom Gefängnis ins Konzentrationslager eingeliefert.

Wilhelm Kirsch, am 26. September 1908 in Wattenscheid geboren und 1931 zum Zeugen Jehovas getauft, wohnte mit seiner Frau Hildegard und der Mutter Amalie 1936 in der Maxstraße.
1935 und 1936 aufgrund seiner Missionstätigkeit verhaftet und zu 14 Tagen beziehungsweise zwei Monaten verurteilt, war er gezwungen seit 1936 im Untergrund zu leben. Nach der großen Verhaftungswelle zahlreicher führender Funktionäre 1937 begann Wilhelm Kirsch die zerstörte Organisation wiederaufzubauen. Er organisierte die Vervielfältigung und Verurteilung der Zeitschrift "Der Wachtturm" in Westfalen. Seine Kontakte reichten bis nach Berlin. Dort verhaftete die Gestapo ihn im Dezember 1937 und im Februar 1939 verurteilte ihn das Sondergericht in Dortmund zur Höchststrafe von fünf Jahren Gefängnis. Nach Aufenthalten in den Arbeitslagern Ürsfeld, Ulmen und Siegburg war er ab Dezember 1942 bis April 1945 im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert.

Seine Frau Hildegard wurde wiederholt aufgefordert, sich von ihm scheiden zu lassen. War sie im November 1935 vom Amtsgericht Bochum wegen des Verkaufs von Druckschriften noch zu einer Geldstrafe verurteilt worden, wurde sie 1938 verhaftet und vom Sondergericht wegen verbotener Bibelforschertätigkeit zu zehn Monaten Haft verurteilt. Obgleich Frau Kirsch für den Rest der Strafe Strafaussetzung - später sogar Amnestie erhielt - wurde sie im Oktober 1938 von der Gestapo in Haft genommen und in das Konzentrationslager Ravensbrück eingeliefert. Hier verblieb sie bis zur Befreiung durch die alliierten Truppen.

Auch der Bruder von Wilhelm Kirsch, Karl, war wiederholt festgenommen worden. Am 23. Mai 1938 erneut durch die Gestapo verhaftet, wurde er am 26. Mai 1938 im Polizeipräsidium erschlagen aufgefunden. Karl war im März 22 Jahre alt geworden.

Huestraße 23 (früher Wilhelmstraße 17)

Das Schicksal vieler homosexueller Männer in Deutschland stand während des zweiten Drittels des 19. und beinahe während des gesamten 20. Jahrhunderts unter dem Verdikt des Paragraphen 175 im 1871 eingeführten Reichsstrafgesetzbuch. Dort heißt es: "Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts (..) begangen wird, ist mit Gefängnis zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden". Als Voraussetzung für die Strafbarkeit nach § 175 RStGB verlangte das Reichsgericht ab 1879 den Vollzug einer "beischlafähnlichen Handlung". Auf dieser Grundlage wurden in den Jahren von 1902 bis 1918 die Fälle von durchschnittlich 800 Männern vor deutschen Gerichten verhandelt; von 1919 bis 1932 waren es sogar 1000.

Während der Zeit des Nationalsozialismus kam es zu einem rapiden Anstieg der Verurteilungen. Denn die gleichgeschlechtliche Liebe galt damals - ebenso wie die Abtreibung - als Missachtung der nationalsozialistischen Familien- und Bevölkerungspolitik. Mit der Strafgesetznovelle vom 28. Juni 1935 wurde der Paragraph 175 StGB um mehrere Tatbestandsmerkmale erweitert. Bestraft wurden nun nicht nur die "widernatürliche Unzucht" zwischen Männern, sondern jegliche "Unzucht" oder bereits der Versuch dazu. Der neu eingeführte § 175 a schuf weitere Straftatbestände: Nötigung, die Schaffung und Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen, die Verführung Minderjähriger unter 21 Jahren und Prostitution. Sie konnten mit Zuchthausstrafen bis zu zehn Jahren belegt werden. Die Zahl der Verurteilten stieg von 957 im Jahr 1933 auf 9.536 im Jahr 1938.

Für die reichsweite Erfassung von Homosexuellen war die am 10. Oktober 1936 aufgrund eines Geheimerlasses Heinrich Himmlers gegründete "Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung" zuständig; vor Ort ermittelten die Kriminalpolizeistellen, soweit nicht schon die Gestapo aus politischen Gründen tätig war.

Homosexuelle Frauen waren ebenso der Verfolgung ausgesetzt wie homosexuelle Männer. Sie unterlagen jedoch nicht der Strafgesetzgebung. Die Verhaftung homosexueller Männer hatte die Anklage und die Gefängnisstrafe oder das Arbeitslager zur Folge und konnte seit 1940 auch dazu führen, dass im Anschluss die Überführung ins Konzentrationslager erfolgte. Das traf diejenigen Männer, die aufgrund der "Verführung" mehrerer Partner verurteilt worden waren. Rund 50.000 Männer wurden nach Paragraph 175 verurteilt 10.000 bis 15.000 ins Konzentrationslager eingeliefert. Unter den KZ-Opfern waren auch lesbische Frauen, die aber nicht der mit dem rosa Winkel gekennzeichneten Gruppe der Homosexuellen zugeordnet wurden sondern der Gruppe der so genannten Asozialen.

Mit der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten veränderten sich die Lebensbedingungen und Entfaltungsmöglichkeiten homosexueller Menschen grundlegend. Einschlägige Bücher und Zeitschriften wurden verboten. Lokale und Klubs, die es während der Weimarer Republik in manchen Großstädten (wie Berlin, Köln und Düsseldorf, aber auch Dortmund, Essen und Duisburg) gegeben hatte, wurden überwacht oder geschlossen. Razzien und Denunziationen schufen ein Klima der Angst.

Das musste auch Dr. Wilhelm Hünnebeck, Sohn einer angesehenen Bochumer Familie, schmerzlich erfahren. Hünnebeck wurde am 31. Oktober 1897 als drittes Kind des evangelischen Justizrates Otto Hünnebeck und seiner Ehefrau Agnes geboren. Agnes Hünnebeck war die Tochter des jüdischen Rechtsanwalts und Notars Semajo Sutro und trat vor ihrer Heirat zum evangelischen Glauben über. Otto Hünnebeck amtierte von 1889 bis zu seinem Tod im Jahre 1911 als Vorsitzender der National-Liberalen Partei des Wahlkreises Bochum-Gelsenkirchen-Hattingen-Herne-Witten und war Mitglied des Magistrats der Stadt Bochum (unbesoldeter Stadtrat 1902 bis 1911). Lange Jahre war er auch Vorsitzender des Bürgerschützenvereins. Wilhelm Hünnebeck studierte in Münster und Tübingen Rechtswissenschaften und wurde 1922 an der Universität Göttingen zum Doktor der Rechte promoviert. Im Mai 1925 erhielt er vom Amts- und Landgericht Bochum die Zulassung als Rechtsanwalt; seit 1932 war er auch als Notar tätig. Seine Kanzlei führte er in der Humboldtstraße 24. 1918 trat Hünnebeck in die Deutsche Volkspartei ein, die Nachfolgepartei der National-Liberalen, deren Vorsitz er 1928 im Stadtbezirk Bochum-Rathaus übernahm. Wie sein Vater engagierte er sich im Bochumer Bürgerschützenverein. In den Jahren 1929 bis 1933 war er Schützenkönig. Seit dem Verkauf der Villa an der Wilhelmstraße 17 Anfang der 1920er Jahre (später Sitz der Westfalenbank und zeitweise der NSDAP-Gauleitung Westfalen-Süd) lebte er mit seiner Mutter und Schwester Am Kaiserring 39 (heute: Am alten Stadtpark 67).
 

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 als "Halbjude" stigmatisiert, erlebte Hünnebeck die gesellschaftliche, soziale und auch wirtschaftliche Ausgrenzung. Er trat schon Anfang April 1933 als Schützenkönig zurück, weil er dazu gedrängt wurde. Die Schützenkette übergab er dem Vorsitzenden des Bürgerschützenvereins Stadtrat Stumpf; die Namensschilder an den von ihm gepflanzten Junggeselleneichen im Stadtpark wurden entfernt. Seiner beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt konnte er zwar weiter nachgehen, doch mieden ihn seine bisherigen Klienten zunehmend. Juden hingegen durfte er nicht vertreten. Er konnte nur Verfahren beigeordnet werden, wenn es sich beim Mandanten um einen "Mischling" handelte oder aber die "arische" Partei ausdrücklich um Vertretung durch einen "Mischlingsanwalt" nachgesucht hatte. 1934 zog er aus wirtschaftlichen Gründen nach Weitmar in die Stensstraße um. 1939 verschärfte sich seine Situation weiter, als Landgerichtspräsident von Vacano Hünnebecks anwaltliche Geschäfte einer eingehenden Überprüfung unterziehen ließ. Auch Anschuldigungen und Denunziationen Dritter, etwa des Inhalts, dass er eine sexuelle Beziehung zu einer Jüdin unterhalte, war er ausgesetzt. Der Landgerichtspräsident nutzte dies zur Einleitung eines Dienststrafverfahrens gegen Hünnebeck. Im Juli 1940 eröffnete von Vacano aufgrund zweier männlicher Zeugenaussagen ein Ermittlungsverfahren wegen Vergehens nach § 175 StGB gegen Hünnebeck, in dessen Verlauf es in Dresden zu seiner Verhaftung kam. Am 17. Oktober 1940 erfolgte die Verurteilung zu fünf Monaten Gefängnis. Um dem zu erwartenden Ausschluss aus der Rechtsanwaltskammer zuvorzukommen, beantragte Hünnebeck Ende September 1940 seine Löschung aus der Rechtsanwaltsliste am Bochumer Amts- und Landgericht. Das Dienststrafverfahren gegen ihn wurde daraufhin eingestellt. Er hatte die Hoffnung, sich eine neue berufliche Zukunft aufzubauen und musste erleben, dass die Universität Göttingen im Februar 1941 ein Verfahren zur Entziehung des Doktortitels aufgrund des Strafurteils vom Oktober 1940 gegen ihn einleitete. Hünnebeck legte Widerspruch und Beschwerde beim Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung in Berlin ein, aber die am 19. Juni 1941 ausgesprochene Aberkennung der Doktorwürde durch die Universität Göttingen wurde bestätigt. Fast zwei Jahre war er arbeitslos, bis er im April 1942 in Berlin eine Anstellung als Syndikus beim Ostselbischen Braunkohlensyndikat fand. An seinem neuen Wohnort wurde ein weiteres Ermittlungsverfahren nach § 175 gegen ihn angestrengt, in dessen Verlauf er drei Monate im Gefängnis in Berlin-Moabit inhaftiert war.
Nach dem Zweiten Weltkrieg bewarb sich Hünnebeck wieder um eine Zulassung als Rechtsanwalt. Das Präsidium der Rechtsanwaltkammer Berlin fragte beim Landgericht Bochum nach und erfuhr von diesem 1947 von Hünnebecks Verurteilung nach Paragraph 175 im Oktober 1940. Die Tilgung des Urteils erfolgte erst am 22. Oktober 1948 und die Wiederverleihung des Doktortitels im Dezember 1948. Die endgültige Zulassung als Rechtsanwalterhielt Hünnebeck für die Gerichte Groß-Berlins im Mai 1950. Am 6. Januar 1956 wurde er erneut nach § 175 verurteilt! Das Berliner Landgericht legte ihm den Umgangmit einem homosexuellen Partner und "widernatürliche Unzucht" zur Last! Es belangte ihn außerdem wegen Veruntreuung von Notariatsgeldern (nach § 266 StGB). Die neunmonatige Gefängnisstrafe setzte das Gericht zur Bewährung aus. Bereits 1955 war Wilhelm Hünnebeck von Berlin nach Hamburg verzogen, wo er in den folgenden Jahren als Wirtschaftsjurist arbeitete und am 4. September 1976 starb. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Bochumer Friedhof an der Blumenstraße neben seinen Eltern und seinem im Ersten Weltkrieg gefallenen Bruder Otto.

1945 wurde die Anwendung der von den Nationalsozialisten geschaffenen Strafvorschriften vom Alliierten Kontrollrat der Besatzungsmächte vorübergehend verboten. Für kurze Zeit war Homosexualität damit nicht mehr strafbar. Doch das änderten die Alliierten bald durch ein Gesetz vom 30. Januar 1946. Demzufolge waren die Paragraphen 175 und 175 a nicht als inhaltlich nationalsozialistische, das heißt ungültige Strafvorschriften anzusehen. Auch der Bundesgerichtshof hatte in seiner Entscheidung vom 13. März 1951 keine Bedenken gegen die Fortgeltung des § 175 StGB vom 28. Juni 1935. 1969 kam es immerhin zu einer Reformierung der Paragraphen 175 und 175a. Erst im Jahr 1994 hob man sie endgültig auf.