geboren am 19. Dezember 1925,
verstorben am 19. Dezember 2008,
Schauspielerin,
Ehrenring-Trägerin
Interviewtermin: Januar 2005
Mädchen, auch n Rotwein?, bietet Tana Schanzara ihrem Gast an. Lieber ein Wasser? Dann das beste Wasser bitte, bestellt sie augenzwinkernd in der Theaterkantine. Nach der Arbeit gönnt sie sich gern ein Glas Rotwein und plaudert noch ein bisschen mit den Kolleginnen und Kollegen. Hallo Tana, wie gehts? - Küsschen hier, Küsschen da. Wenn Tana Schanzara durch die Gänge des Schauspielhauses geht, wird sie von allen herzlich begrüßt. Vom gerade amtierenden Intendanten bis zur Garderobenfrau, vom Heizungsmonteur bis zur Maskenbildnerin, alle mögen Tana. Und sie bringt allen Respekt und Aufmerksamkeit entgegen in ihrer unprätentiösen, direkten Art. Ihre Garderobe ist ein Sammelsurium aus fünf Jahrzehnten Theater. Kein Platz an den Wänden, am Spiegel oder auf dem Schminktisch ist frei: getrocknete Rosen, Fanpost, Verehrerbriefe, Fotos, Zeitungsausschnitte, Stofftiere, ungezählte Maskottchen und Glücksbringer bevölkern den kleinen schmalen Raum. Das ist die Welt der Ruhrgebiets-Duse und sie hängt an allem Das kann man doch nicht wegschmeißen!, empört sie sich.
Mit dem Song "Vatta aufstehen" erlangte Tana Schanzara in den 70er Jahren bundesweit Popularität. Im Ruhrgebiet ist sie schon länger bekannt und beliebt als Original, weil sie mit Herz und Schnauze, mit Liebe und Humor die Menschen im Revier verkörpert. Die Perle aus dem Pott, so betitelte sie die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Peter Zadek bezeichnete sie als eine der wenigen großen Volksschauspielerinnen. Dabei ist sie ganz klein, genau gesagt, 1,56 Meter, und nach ihrer Hüftoperation wurde aus der eher drallen Volksschauspielerin eine zierlich schlanke, fast ein bisschen vornehme Ruhrgebietsdiva. Wobei sie selbst das Wort vornehm natürlich für sich niemals beanspruchen würde. Man kann sich nur vorstellen, wie sie mit gestelztem Ausdruck vornehm spielt.
Helge Schneider brachte mit ihr 2003 sein erstes Theaterstück auf die Bühne und er drehte mit ihr einen Film. Der Kult-Komiker ehrt sie als Schauspielerin der alten Garde. Tana Schanzara brachte und bringt tausenden von Theaterbesuchern viel Spaß. Schon bei der Wiedereröffnung des Schauspielhauses 1954 hatte sie ein Gast-Engagement. Mittlerweile ist sie eine Institution des Bochumer Schauspielhauses mit einer riesigen Fangemeinde. 1998 wurde sie ausgezeichnet als Bürgerin des Ruhrgebiets und ein Jahr davor erhielt sie den ersten Ehren-Tegtmeier. Die Auszeichnung für Bühnen-Originale erinnert an Jürgen von Manger. Mit dem Kollegen, der wie sie in Gelsenkirchen und am Bochumer Schauspielhaus arbeitete, war sie befreundet.
Als Tana Schanzara 2001 unglücklich stürzte, litt die halbe Nation: die Bild-Zeitung titelte: Tana leidet und auch seriösere Zeitungen hielten ihre Leserschaft auf dem Laufenden mit Überschriften wie Tana Schanzara geht es gut nach Operation. Unverwüstlich ließ sie ihre Schauspielkollegen und Schauspielkolleginnen nicht im Stich und spielte. Selbst als sie an Krücken ging, stand beziehungsweise saß sie auf der Bühne. Nach einer Hüftoperation im Alter von 77 Jahren um zahlreiche Kilo ärmer, aber an Bewegung wieder reicher: Laufen kann ich, lacht sie, als amüsiere sie sich über sich selbst, ich tanze auch wieder, alles wie gehabt!. Tana Schanzara ist ein Phänomen. Anders als viele andere Künstlerinnen und Künstler, die vornehmlich um sich selber kreisen, macht Tana sich auch immer Sorgen um andere. Wenn die Kollegin oder der Kollege friert, sorgt sie für einen dicken Pullover. Sie verkauft Waffeln für Brot für die Welt, engagiert sich für ein Kinderheim. Tana Schanzara hat ein großes Herz und ihre Gutmütigkeit kennt kaum Grenzen. Ohne große Umstände steht sie auch der Stadt zur Verfügung, wenn es darum geht, sich werbewirksam zu postieren - oder, wie sie sagt: irgendwo seinen Senf dazuzugeben.
Tana in Moskau war eines ihrer großen Solo-Programme im Bochumer Schauspielhaus. Da schreit und flüstert, grölt und krächzt sie heraus, was die Menschen meinen. Aber auch in klassischen Rollen tritt sie immer noch auf. Nach dem Abitur und ersten Schauspielengagements in Mannheim, Oldenburg und Gelsenkirchen landete Tana 1954 am Bochumer Schauspielhaus, seit 1956 gehört sie fest zum Ensemble. Und keiner der langen Reihe von Intendanten wagte es, sich von ihr zu trennen. Viele Theaterleiter hat sie erlebt, die die deutsche Theatergeschichte prägten. Darunter Peter Zadek, Claus Peymann und Matthias Hartmann. Adolf Winkelmann brachte sie auf die Leinwand, im Tatort und bei der WDR-Serie Die Anrheiner war sie zu sehen. Aber der Bochumer Bühne bleibt sie treu. Nicht einmal Claus Peymann gelang es, sie an das angesehene Burgtheater nach Wien zu holen. Dort gastierte sie Anfang der 90er Jahre in Peter Turrinis Tod und Teufel. Die heruntergekommene Säuferin, die einen Pfarrer vom Lande verführt, wollte keine spielen, sagt sie belustigt und uneitel. Schuld daran, dass sie sich nicht ganz nach Wien engagieren ließ, war ihre zweite große Liebe neben dem Theater. Die galt den Tieren. Mit ihnen lebte sie - standesgemäß eben eine Diva des Ruhrgebiets - im Schrebergarten in Herne.
Sie starb an ihrem 83. Geburtstag in einer Bochumer Klinik und wurde im Familiengrab auf dem Hauptfriedhof Krefeld beigesetzt.
Ihr zu Ehren wurde am 15. Juli 2010 gegenüber dem Schauspielhaus in Bochum der bisherige Westfalenplatz in Tana-Schanzara-Platz umbenannt und am 3. Juli 2012 auf dem Vorplatz des Schauspielhauses ein Denkmal enthüllt.
Regina Völz