Im Februar 1920 in Bernburg an der Saale geboren, machte sie nach der Real- und Handelsschule eine Gesangs- und Schauspielausbildung. Mit 28 Jahren kam sie nach Wattenscheid, wo sie - Jahre später - von der darstellenden zur literarischen Kunst wechselte.
Der Durchbruch als Dichterin gelang ihr erst 1968, mitten in den Wogen der Studentenrevolten. Die damals 48-Jährige war Mitbegründerin des "Werkkreises Literatur in der Arbeitswelt" und hatte ihre erste Lesung - im Jugendheim der Matthäus-Kirche in Gelsenkirchen-Erle.
Ich bin entlassen, das heißt freigestellt
So wissen wir doch was sie nennen
An ihrer Sprache sind sie zu erkennen:
soziale Sicherheit heißt Stempelgeld
und Rationalisieren heißt soviel
wie Menschen durch Technik zu ersetzen
die ja der Mensch an andren Arbeitsplätzen
entwickelt hat - Gewinnen steht im Kalkül
vor allen Fragen die die Welt bedrängen
Wenn uns die Kraft versagt der Mut verlässt
Da wir dem nächsten Tag nicht trauen dürfen
An welcher Hoffnung hielten wir uns fest
Wenn wir nicht von gerechteren Entwürfen
Des Daseins wüßten und von Übergängen
Dieses Gedicht offenbart die politische Stimme einer Frau, die sprachbegabt gesellschaftliche Themen in Verse verpackt. Ebenso wie ihre Vorbilder Brecht und Böll wollte sie sich einmischen, sie wollte aufrütteln und den Menschen die Augen öffnen. Missstände in der Arbeitswelt, in der (ökologischen und sozialen) Umwelt aufzeigen - das war es, wofür sie zum Stift griff. Sie war eine Frau der knappen Worte, die immer ins Schwarze und ins Herz trafen: Gedichte, Aphorismen, allenfalls Kurzprosa hat sie geschrieben. Ihre Texte wurden sogar von Liedermachern vertont.
Mit ihrer zweiten Heimat, dem Ruhrgebiet, fühlte sie sich schnell verbunden. Ihre Verse spiegeln oft das Revier und seine Strukturkrise wieder. Ihr Credo war: Was gültig ist, muss nicht endgültig sein.
Wir schlagen die Wälder
Tag für Tag
und treffen uns selber
mit jedem Schlag
Was aufrecht grüne Kronen trägt
gefällt entlaubt geschält zersägt
wird Nutzholz - wird Papier
und darauf schreiben wir
Gedichte über Bäume
damit die nach uns kommen erfahren
wie wunderbar die Wälder waren
Da sie wusste, wie schwierig es gerade als Lyrikerin ist, sich auf dem literarischen Markt zu behaupten - sie hatte ihr erstes Buch erst mit 50 Jahren veröffentlicht - , gründetet sie 1998 die "Liselotte und Walter Rauner - Stiftung zur Förderung der Lyrik in Nordrhein-Westfalen". Damit wollte sie den Nachwuchs unterstützen.
Die Stiftungs-Gründung war einer ihrer wenigen Auftritte vor Publikum, nachdem 1992 ihr Mann Walter Rauner verstorben war. Er war es, der als "rechte Hand" alles Organisatorische für sie übernommen und ihr den Rücken freigehalten hatte. Mit seinem Tod verschwand sie aus dem öffentlichen Literatur-Leben.
Im Jahr 2005 verstarb Liselotte Rauner. Heute erinnert eine Gedenktafel an der Stresemannstraße in Wattenscheid an die engagierte Bochumerin. Ihr Nachlass befindet sich im Stadtarchiv Bochum.
Das Gedicht "Ohne dich" hatte sie für ihren Mann geschrieben. Viele ihrer Weggefährtinnen und Weggefährten wird es auch immer an sie erinnern.
Weiterleben ohne Dich
mein Sterben vorweggenommen
Du wirst nicht wiederkommen
nichts tröstet mich
Das Glück ein letzter Schimmer
von fern
und ich umkreise noch immer
meinen längst erloschenen Stern
Andrea Behnke