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Bergbauwanderwege

Gerthe Grumme Hiltrop

Wanderung auf dem Industrielehrpfad

Bergbauwanderwege

Die industrielle Entwicklung des Ruhrgebiets seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hat auch Bochum unübersehbar ihren Stempel aufgedrückt. Sie hat nicht nur die Menschen entscheidend geprägt, sondern auch das gesamte Erscheinungsbild der Stadt. Im Zuge des Strukturwandels wandelt sich das Stadtbild auch heute noch. Alte Werksanlagen werden abgerissen, neue entstehen und mit ihnen neue Wohngebiete und eine veränderte Infrastruktur. So offenbart sich die Industrialisierung nicht nur unmittelbar durch die Betriebsanlagen, sondern auch, indem sie um diese herum eine eigene Umwelt erschafft, die sich grundsätzlich von den verstreuten Dörfern der vorindustriellen Zeit unterscheidet.

Dieser Industrielehrpfad soll bei der Spurensuche nach derartigen mit der industriellen Entfaltung gewachsenen Strukturen helfen. Er widmet sich dem Raum Gerthe, Grumme und Hiltrop im Bochumer Norden. Heute fällt es schwer, sich vorzustellen, dass diese Stadtteile um 1860 (damals noch eigenständige Gemeinden) weitgehend ländlich geprägt waren und zusammen nur wenig mehr als 1.000 Einwohner besaßen. Doch seit 1870 sorgten die ansässigen Zechen für einen starken Zustrom neuer Arbeiter; um sie unterzubringen, entstanden Werkssiedlungen. Das rasche Wachstum der Ruhrgebietsstädte schuf neue Transportbedürfnisse, die sich im Bau von Eisenbahnstrecken und Straßenbahnstrecken niederschlugen. Auch die Industrieanlagen, hier die Zechen Lothringen und Constantin, dehnten sich aus, teuften neue Schächte, um ihre Förderung zu erhöhen, bauten Kokereien und Benzolfabriken, um die Kohlenebenprodukte wirtschaftlich zu nutzen.

Der Rundweg will keine Musterbauten vorführen, sondern vor allem Spuren verfolgen, die einen Eindruck von den geographischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen vermitteln, die durch die Industrialisierung entstanden sind. Die vorgeschlagene Strecke ist dazu gedacht, Perspektiven zu eröffnen, nicht zu verschließen. Sie berührt nicht alle für die Industriegeschichte des Bochumer Nordens relevanten Punkte. Abstecher abseits der Route können sich allemal lohnen.

Der knapp 20 Kilometer lange industriegeschichtliche Lehrpfad ist als Fahrradtour konzipiert, die etwa drei bis vier Stunden in Anspruch nimmt. Selbstverständlich können Sie die Strecke abkürzen oder nach Ihren eigenen Interessen ergänzen.

Zu Ihrer Orientierung finden Sie rechts in der zweiten Zeile des Titels jeweils die Entfernungsangabe zum nächsten Punkt. Bitte denken Sie immer daran, dass Sie sich im Stadtgebiet befinden; einige Streckenabschnitte erfordern wegen des Verkehrs erhöhte Aufmerksamkeit.

I. und II. Parallelstraße, Wichernstraße, Auf der Bochumer Landwehr
1.000 Meter

Die Zeche Prinz von Preußen (ehemals am gleichnamigen Eisenbahnabzweig in Kornharpen gelegen) begann 1868 mit dem Bau von Arbeiterwohnungen. Da sich die Kornharpener Bauern weigerten, der Zeche Bauland zu verkaufen, wich man nach Grumme aus. In vergleichsweise weiter Entfernung zur Zeche wurden beiderseits des Hellwegs (heute Castroper Straße) drei Kolonien (I. und II. Parallelstraße, Wichernstraße, Auf der Bochumer Landwehr) mit 48 Häusern errichtet. Die 1873 einsetzende Wirtschaftskrise verhinderte den weiteren Ausbau der Siedlung.

Erstmals wurde hier der allein nach ökonomischen Gesichtspunkten gestaltete, für die Harpener Bergbau AG typische zweieinhalb geschossige, schmucklose Doppelhaustyp mit jeweils drei Räumen pro Etage für insgesamt vier Familien gebaut.

Erst spät mit Wasseranschluss versehen und mit Aborten in den Stallgebäuden verfügten Häuser vor dem Ersten Weltkrieg über so geringen Komfort, dass sie zum Teil leer standen und renoviert werden mussten. In bewusster Abkehr von dieser durch Monotonie und Schmucklosigkeit geprägten ersten Phase des Wohnungsbaus entstanden noch vor der Jahrhundertwende in Anordnung und Aufriss vielfach variierte Häuserinnerhalb ländlich geprägter Siedlungen (in Bochum zum Beispiel Borgholzwiese, Dahlhauser Heide, Dreerhöhe (siehe Industrielehrpfad Langendreer / Werne)). Die mit den Werkskolonien bezweckte Bindung der Arbeiterschaft an die Zeche gelang dennoch. Der Belegschaftswechsel unter den Koloniebewohnern war äußerst gering.

Während die Siedlung Auf der Bochumer Landwehr (sie liegt auf dem Weg zum Standort 2.2) 1897 um zwei Beamtenhäuser ergänzt wurde, die, weitaus repräsentativer gestaltet, über je vier große Wohnungen verfügten, blieben die beiden anderen Kolonien bis zum Zweiten Weltkrieg äußerlich unverändert. Die Zeche Prinz von Preußen hatte bereits 1925 die Förderung eingestellt, blieb aber bis 1964 als Außenanlage der Großzeche Robert Müser in Betrieb.

Nachdem durch Bombentreffer und den Ausbau der B1 (heute A 40) einige Häuser verschwanden beziehungsweise durch Neubauten ersetzt wurden, erfolgte erst Ende der fünfziger Jahre schrittweise die Modernisierung sämtlicher Häuser. Dadurch und durch die Privatisierung in den achtziger Jahren ging die einheitliche äußere Gestaltung (einheitliche Fenstergrößen, Ziegelfassaden, Stallgebäude, Hecken) verloren.

Die drei Grummer Kolonien gehören angesichts des massiven Abrisses ähnlich einfacher und wenig ansehnlicher Bergarbeitersiedlungen in den sechziger Jahren heute zu den ältesten erhaltenen Beispielen für den Werkswohnungsbau in Bochum. H.-G.T.

Castroper Straße
2.800 Meter

Die Bauten der Stahlwerke Bochum (SWB) verraten heute nur noch wenig von der ehemaligen Bedeutung dieses Stahlstandortes in Bochum; selbst die beiden Beobachtungspunkte vermitteln nur ein eingeschränktes Bild. Standort 2.1 zeigt die repräsentative Zufahrt mit dem links gelegenen Kaltbreitbandwalzwerk und dem Verwaltungsgebäude, während Standort 2.2 einen Blick in den rückwärtigen Werksteil mit dem charakteristischen Wasserbehälter gewährt.

Die an der Karl-Lange-Straße gelegenen ältesten erhaltenen Bauten, davon eines mit einem großen Jugendstilfenster, stammen noch von der Seilerei Vennemann & Co., die sich mit dem Bergbauzulieferer Grümer & Grimberg 1907 hier auf der ehemaligen Großen Vöde niederließ.

Die seit 1921 unter dem Namen Maschinenfabrik Elsaß AG arbeitenden Betriebe hatten 1919 den Bau von Maschinen und Eisenkonstruktionen aufgenommen und wurden so zum Ausgangspunkt für das Engagement ihres Haupteigners, des Lothringen-Konzerns, im Stahlbereich. Um den Absatz der Zeche an Kohle, Gas und Strom zu sichern und um die zum Konzern gehörige Lokomotiv- und Maschinenbaufirma Hanomag kostengünstig beliefern zu können, baute Lothringen 1926 / 1927 auf dem Gelände an der Castroper Straße ein vollständiges Stahl-, Walz- und Schmiedewerk. Innerhalb eines Jahres (1927) erhöhte sich so die Zahl der Beschäftigten von 1.034 auf über 2.300. Den Kern dieses nun Eisen- und Hüttenwerke AG genannten Unternehmens bildeten das Siemens-Martin- und das Elektrostahlwerk, deren Stahl in erster Linie zu Blechen (erstes Blechwalzwerk im Bochumer Raum) und Stahlformguss verarbeitet wurde.

Die desolate finanzielle Lage von Lothringen führte 1936 zum Verkauf des Werkes an den Otto-Wolff-Konzern. Da die Anlagen nur geringe Kriegsschäden erlitten und eine Demontage nicht stattfand, entsprach das Produktionsprogramm bereits im März 1946 weitgehend wieder dem der Vorkriegsjahre.

Der Werdegang des nun "Stahlwerke Bochum AG" genannten Unternehmens ist typisch für viele Werke der Eisen- und Stahlindustrie nach 1945: Bedeutenden Erweiterungen in den 50er Jahren (1955 Kaltbreitbandwalzwerk 196170 t-Elektro-Ofen) folgten Schrumpfungsprozesse in den sechziger und siebziger Jahren.

Dies bedeutete für die Stahlwerke den Verzicht auf die Produktion von Halbzeugen sowie die Stilllegung des Siemens-Martin-Stahlwerks 1965. Beschäftigte das Werk 1961 von 5.780 Menschen, so waren es 1989 nur noch 1.350. Seit 1974 hat sich das Werk vor allem auf die Herstellung von Elektroblechen und Feinblechen spezialisiert. Seit 1989 gehört es unter dem Namen Gesellschaft für elektromagnetische Werkstoffe (EBG) zur Thyssen AG.

Das Wahrzeigen der Firmenanlage ist heute noch der Kugelwasserbehälter vom Typ Klönne aus dem Jahr 1927 (Standort 2.2, siehe auch Titelbild). Seit 1991 ist er als Technisches Denkmal in die Denkmalliste der Stadt Bochum eingetragen. R.P.

um den Kolpingplatz
300 Meter

Die Siedlung Grümerbaum, 1920 bis 1926 errichtet, dokumentiert den Übergang des Werkswohnungsbaus auf die von den Unternehmen getragenen Siedlungsgesellschaften.

Der Grümerbaum, so benannt nach einem alten Hof, wurde in zwei großen Zügen bebaut, um die für die Schachtanlage Lothringen 4 (siehe Punkt 15) in Hiltrop benötigten Arbeitskräfte unterbringen zu können.

Der erste Bauabschnitt von 1920 bis 1923 erfolgte durch die Bergbau AG Lothringen und umfasste den Bereich vom Abzweig der Dietrich-Benking-Straße bis zum Kolpingplatz. Hier dominieren eingeschossige und zweieinhalbgeschossige variantenreiche Häuser mit zum Teil großen Gärten. Der zweite Bauabschnitt - vom Kolpingplatz den Castroper Hellweg entlang - bietet ein geschlosseneres Bild aus einheitlichen zweieinhalb geschossigen Häusern. Er wurde von derTreuhandstelle für Bergmannswohnstätten Essen ausgeführt. Diese Gesellschaft war eine Gemeinschaftsorganisation des Ruhrbergbaus zur Bewältigung der Wohnungsprobleme; sie übernahm bis 1927 auch die Gesamtsiedlung, lediglich die Steigerhäuser zwischen Friedrich-Engels-Straße und Castroper Hellweg blieben im Besitz des Eschweiler Bergwerksvereins (Nachfolger der Bergbau AGLothringen), gehören aber neuerdings der Stadt Bochum.

Augenfällig ist die aus den zwanziger Jahren stammende Namensgebung der Straßen. Die Straßenbenennung einer Zechensiedlung nach Theoretikern und Funktionären der Arbeiterbewegung ist ungewöhnlich, meist kamen Unternehmerpersönlichkeiten zu diesen Ehren.

Blickfang der Siedlung ist noch heute der Kolpingplatz mit dem bemerkenswerten "Halbmond" an seinem oberen Ende, wenn auch viel von der ursprünglichen Platzwirkung durch zusätzliche Bebauung verloren ging. Die Siedlung ist heute größtenteils privatisiert. R. P.

Castroper Hellweg
600 Meter

Der Straßenbahn-Betriebshof am Castroper Hellweg verdankt seine Entstehung einem Rechtsstreit zu Beginn dieses Jahrhunderts. Die aufstrebende Zeche Lothringen (siehe Punkt 9) benötigte für ihre wachsende Belegschaft dringend eine Nahverkehrsverbindung nach Bochum. Die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahn AG (gegründet 1896), damals noch im Besitz des Berliner Elektrokonzerns Siemens & Halske AG, wollte wegen zu hoher finanzieller Ansprüche der Stadt Bochum die geplante Straßenbahnlinie nicht bauen. Die Stadt Bochum durfte nicht wegen des Straßenbahnmonopols, das sie der BOGESTRA eingeräumt hatte. So gründeten schließlich die seinerzeit noch eigenständigen Gemeinden Gerthe und Harpen am 6. Dezember 1907 die Kleinbahn Bochum-Gerthe-Harpen GmbH mit Sitz in Gerthe und erhielten die Konzession für eine Straßenbahnlinie von Gerthe (Castroper Hellweg) zum Bahnhof Bochum-Süd mit einem Abzweig nach Harpen (Harpener Hellweg).

1908 wurde die erste viergleisige Wagenhalle auf dem heutigen Gelände dem Betrieb übergeben.

Bereits 1909 trat die Stadt Castrop dem Unternehmen bei, das fortan Bochum-Castroper Straßenbahn GmbH hieß. Für den zentralen Betriebshof bedeutete dies den Anbau eines neuen viergleisigen Flügels im gleichen Baustil, da sich der Wagenpark mit der Erweiterung der Strecke vergrößerte.

Mehrere Gemeinden gründeten 1912 die Westfälische Straßenbahn GmbH und brachten ihre Straßenbahnlinien in die neue Gesellschaft ein. Das Streckennetz erstreckte sich fortan von Herne über Castrop, Lütgendortmund und Langendreer bis nach Witten. Sitz und zentrale Werkstatt des nunmehr größten Konkurrenten der BOGESTRA wurde der Gerther Betriebshof. Den gestiegenen Ansprüchen entsprechend wurde die Wagenhalle völlig umgebaut, auf 18 Gleiseinfahrten erweitert und mit neuer Fassade versehen.

Die Direktorenvilla wurde zum Verwaltungsgebäude, rechts der Wagenhalle entstanden Meisterwohnhäuser. Damals erhielt der Betriebsbahnhof in wesentlichen Zügen sein heutiges Gesicht.

Seit den Eingemeindungswellen 1926 und 1929 und dem nachfolgenden Konkurs der Westfälischen 1931 gehörte der Komplex der BOGESTRA und diente weiterhin als Werkstatt. Von 1957 bis 1963 wurde die Wagenhalle und Werkstatthalle wegen Bergsenkungen gründlich renoviert. Noch heute werden hier die sechsachsigen Großraumgelenkwagen der BOGESTRA inspiziert und repariert. Dieses älteste Zeugnis des Straßenbahnwesens auf Bochumer Boden ist in mancherlei Hinsicht für die Entwicklung vieler öffentlicher Versorgungsunternehmen im Ruhrgebiet typisch. H.K.

Paul-Müller-Straße
500 Meter

Als die Westfälische Straßenbahn 1912 aus der Fusion der Bochum-Castroper-Straßenbahn (Gerthe), der Märkischen Straßenbahn (Witten) und der Kommunalen Straßenbahn der Stadt Herne entstand, stellte sich nicht nur die Frage nach der Neuordnung des gesamten technischen Betriebes (siehe Punkt 4), sondern auch das Problem, wo die gewachsene Zahl der Beschäftigten des neuen Unternehmens ausreichenden und erschwinglichen Wohnraum in direkter Nähe zum Arbeitplatz finden konnte. So entstanden 1913 in Gerthe und in Witten (Crengeldanz) gleichzeitig zwei Werkssiedlungen.

Die Gerther Siedlung bestand aus 16 anderthalbgeschossigen und zweigeschossigen Gebäuden. Die Kolonie, die zunächst wie die Straße "Gartenstadt" hieß, war nach dem Vorbild der Bergwerkssiedlungen konzipiert und ließ zwischen den Gebäudengenug Platz für Gärten. Nach der Eingemeindung Gerthes benannte man die Straße nach dem ersten Direktor der Westfälischen Straßenbahn. Als die Straßenbahn-Gesellschaft in Konkurs ging, übernahm die BOGESTRA auch die Verwaltung der Häuser. H.K.

Schweringstraße / Heinrichstraße
1.200 Meter

Die Schwerinstraße stellt heute nur noch etwa die Hälfte der Ausdehnung der ursprünglichen Siedlungsbebauung dar. Der Heinrichstraße zwischen Castroper Hellweg und Schwerinstraße ist kaum noch anzumerken, dass sie ein Bestandteil dieser Siedlung der Gewerkschaft Lothringen war. Die alten Häuser auf der rechten Straßenseite fielen in den siebziger Jahren dem Neubau des Gerther Schulzentrums zum Opfer.

Trotzdem vermittelt die heutige Schwerinstraße noch viel vom Typ einer komprimierten Siedlung aus zweieinhalbgeschossigen, eng an der Straße stehenden Häusern. Ein Vergleich mit der ebenfalls zu dieser Zeit (1908 / 1909) erbauten Siedlung Lothringen (siehe Punkt 8) macht deutlich, welche unterschiedlichen Ausformungen Siedlungsbau selbst unter gleichen Voraussetzungen haben konnte. Dort ein bewusst aufgelockertes Siedlungsbild und hier die strenge Hausanordnung entlang der Straßenachse.

Der heute etwas trostlose Anblick kann allerdings auf andere Faktoren zurückgeführt werden.

Ursprünglich bot die vergleichweise breite Straße ein lebendiges Bild, das von der typischen Lothringen-Gestaltung geprägt war.

An einigen Gebäuden lassen sich noch die farblich abgesetzten Jugendstil-Rundbögen erkennen. In der Schwerinstraße zeigt sich augenfällig, dass insbesondere bei Privatisierungen eine einheitliche Gestaltungssatzung wünschenswert sein kann, die verhindert, dass bei aller gebotenen Modernisierung der Altbausubstanz der historisch beispielhafte Siedlungscharakter verloren geht. R. P.

Kirchharpener Straße
900 Meter

Etwa in der Mitte des Gerther Friedhofs befindet sich die Erinnerungsstätte an eine der schwersten Katastrophen des Ruhrbergbaus. Am 8. August 1912 ereignete sich während der Frühschicht eine Schlagwetterexplosion auf der vierten Sohle der Schachtanlage Lothringen 1/2 (siehe Punkt 9), bei der 117 Bergleute getötet wurden.

Kaiser Wilhelm II., der an diesem Tag in der Villa Hügel in Essen am hundertjährigen Firmenjubiläum der Firma Krupp teilnahm, reiste einen Tag später gemeinsam mit Prinz Heinrich von Preußen und Reichskanzler Bethmann-Hollweg nach Gerthe. Das Unglück erregte dadurch außergewöhnliche Aufmerksamkeit im Inland und Ausland. Während die sozialdemokratische Zeitschrift "Vorwärts" der Zechenleitung mangelnde Sicherheitsvorkehrungen vorwarf, kam das Oberbergamt zu dem Ergebnis, dass die Belegschaft vor Ort fahrlässig gehandelt habe.

Am 12. August erfolgte nach einem stundenlangen Trauerzug vor 200.000 Menschen die Beerdigung durch den Erzbischof von Paderborn auf dem Gerther Friedhof. 99 Opfer wurden in zwei Reihen beigesetzt, der Platz so gewählt, dass die Mittelachse des Friedhofs auf das Grab zuführte. In seiner Schlichtheit ähnelt es bereits den Kriegerdenkmälern des Ersten Weltkriegs, deren Formensprache Tod und Trauer als Massenphänomen betrachtet. Nach Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurde die Anlage vereinfacht wiederhergestellt. R.P.

Fischerstraße, Kirchharpener Straße, Klüsener Straße, Freie-Vogel-Straße
500 Meter

Wie viele Zechen des Ruhrgebiets stand auch die Zeche Lothringen während der Hochkonjunktur zu Beginn des Jahrhunderts vor dem Problem, genügend Arbeitskräfte für den expandierenden Grubenbetrieb anwerben zu müssen. Zur Eingliederung der Neubergleute und Schaffung einer zechentreuen Stammbelegschaft wurden Siedlungen errichtet: in Gerthe die Siedlungen Lothringen und Schwerinstraße / Heinrichstraße (siehe Punkt 6).

Die Siedlung Lothringen zeichnete sich im Gegensatz zu älteren Kolonien wie etwa der Karl-Ernst-Straße (siehe Punkt 11) oder Auf dem Kray in Herne durch die Nähe zur Zeche aus. Sie wurde ab 1908 nach einem einheitlichen Entwurf errichtet, der in eine Phase fiel, als sich Lothringen besonders um eine einheitliche Wirkung aller Neubauten bemühte. Die Siedlung weist nicht nur eine ideenreiche Anordnung der wenigen Haustypen und eine bewusste Grünflächengestaltung und Platzgestaltung, sondern auch das stellenweise noch sichtbare individuelle Lothringen-Design mit seinen farbigen Jugendstilelementen auf. Zudem gehörten die großen Gärten, unentbehrlich zur Selbstversorgung der Bewohner, zu den Pluspunkten der Siedlung.

Die Ausstattung der meist - mit Ausnahme der Steigerhäuser - überbelegten Gebäude war jedoch auch nach einfachen Maßstäben alles andere als komfortabel. Erst nach und nach wurde fließendes Wasser in den Wohnungen installiert; der Einbau von Bädern geschah vielfach erst im Zuge von Privatisierungen und Modernisierungen seit den siebziger Jahren. Seither hat die äußere Gestaltung durch Abrissmaßnahmen und Neubaumaßnahmen gelitten. R.P.

Lothringer Straße
400 Meter

Fast 90 Jahre lang bestimmte die Zeche Lothringen 1/2 als einziger größerer Industriebetrieb das Erscheinungsbild Gerthes. 1872 gründeten bekannte Industrielle, darunter Heinrich Grimberg, die Gewerkschaft der Zeche Lothringen (die Namensgebung spiegelt die Begeisterung über die Angliederung Lothringens 1871 wider) und teuften den Schacht 1 ab (Markierungsschild circa 20 Meter hinter dem Maschinenhaus).

Technische Probleme verzögerten zunächst die Aufnahme der Förderung. Ab 1888 begann allerdings eine Phase der wirtschaftlichen Expansion, so dass 1900 bereits 432.000 Tonnen Fettkohle gefördert wurden. 1896 wurde Schacht 2 in Betrieb genommen und im Zuge dieser Erweiterung eine Kokerei mit Ammoniak- und Benzolfabrik errichtet, von der einige Bauten an der Ecke Lothringer Straße / Kirchharpener Straße zu sehen sind (heute Sigma-Coatings).

1914 betrieb die Gewerkschaft bereits fünf Kokereien mit Nebenproduktgewinnung (Teer, Ammoniak, Benzol) sowie eine Fabrik, in der ab 1908 nach dem Ostwald-Verfahren Salpetersäure zur Sprengstoffherstellung aus Kokereiammoniak erzeugt wurde. Die 1932 stillgelegte Anlage erlangte zu Beginn des Ersten Weltkriegs kurzfristig als zunächst einziger inländischer Salpeterproduzent besondere kriegswirtschaftliche Bedeutung.

Nach der Jahrhundertwende wurde die Zeche komplett umgebaut, wobei den Gebäuden die charakteristische Gestaltung gegeben wurde, die auf dem Kontrast von gelben und roten Ziegeln sowie Jugendstilornamenten beruht.

Neben dem 1900 erbauten Maschinenhaus des Schachtes 1 (hinter der Einfahrt), das mit verzierten Rundbögen und tonnenförmiger Dachgestaltung zu den außergewöhnlichen überlieferten Industriebauten in Bochum zählt, wurden in diesem Stil besonders die an der Lothringer Straße gelegene Verwaltung (1907, erweitert 1915), die Kaue des Schachtes 3 (1906) und einige Siedlungshäuser errichtet.

Die Bedeutung der Zeche lässt sich leicht ermessen, wenn man bedenkt, dass Gerthe im Jahre 1910 8.492 Einwohner besaß und auf Lothringen 1/2 2.542 Arbeitskräfte beschäftigt waren.

In der Weimarer Republik wurde die Gewerkschaft in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, die zum Kern des Lothringen-Konzerns wurde. Neben dem Kauf weiterer Zechen (unter anderem Graf Schwerin in Castrop-Rauxel und Präsident in Hamme) erwarb Lothringen 1924 die Hanomag AG in Hannover und gründete 1927die Eisen- und Hüttenwerke AG, die spätere Stahlwerke Bochum AG (siehe Punkt 2). In der Weltwirtschaftskrise zerbrach der Konzern; der Bergbauzweig ging an den Kali-Konzern Wintershall. Lothringen förderte 1937 1,5 Millionen Tonnen Kohle.

Auch nachdem 1956 die Aktienmehrheit an den Eschweiler Bergwerks Verein (EBV) übergegangen war, blieb Lothringen 1/2 die Hauptförderanlage des 1961 krisenbedingt gegründeten Verbundbergwerks Lothringen / Graf Schwerin. Nach der Stilllegung 1967 blieben große Teile der Anlage aufgrund der Nutzung durch die Zeche Erin des EBV erhalten, bis 1978 die völlige Schließung erfolgte. Gegen den Protest der Bevölkerung wurden 1980 die beiden Fördertürme aus den Jahren 1896 und 1898 abgerissen. Während der Großteil des Geländes aufgrund von Altlasten brach liegt, wird das Fördermaschinenhaus gewerblich genutzt; das repräsentative Verwaltungsgebäude beherbergt eine Außenstelle der Bundesknappschaft.

Erwähnenswert sind die Fenster der gegenüberliegenden Polizeiwache, die noch erahnen lassen, dass sich hier das Lokal "Zeche Lothringen" befand. R.P.

Lothringer Straße 2
900 Meter

Über 60 Jahre lang, seit dem Beginn unseres Jahrhunderts, gehörten auch in Bochum die Konsumgenossenschaften zum alltäglichen Bild des Einzelhandels.1928 richtete der 1912 aus dem Zusammenschluss zweier örtlicher Konsumgenossenschaften entstandene Konsumverein Wohlfahrt Bochum seine 105. Verkaufsstelle in der Lothringer Straße ein.

Als demokratisch organisierte Selbsthilfeorganisationen finanzierten sich die Konsumvereine und Konsumgenossenschaften allein aus den Einlagen der zumeist aus der Arbeiterschaft stammenden Mitglieder, die über die Rückvergütung an den erwirtschafteten Überschüssen beteiligt waren. Durch Großeinkauf, Beschränkung auf wenige Qualitätsprodukte und Ausschaltung des Zwischenhandels bewirkten die Konsumvereine eine spürbare Verbilligung und Verbesserung der Waren des täglichen Bedarfs. Von Anfang an wurden in Bochum neben den Produkten der Großeinkaufsgesellschaft deutscher Konsumvereine auch selber hergestellte Waren (Mehl, Brot, Kaffee, Limonade) vertrieben, die seit 1916 in der an der Königsallee entstandenen Betriebszentrale produziert wurden.

Mit fast 30.000 Mitgliedern und 113 Vertriebsstellen in Bochum, Witten, Herne, Wanne-Eickel und Recklinghausen war Wohlfahrt einer der drei großen Konsumvereine im Ruhrgebiet. Die Nationalsozialisten verringerten die Zahl der Vertriebsstellen drastisch (auch die Filiale 105 fiel dieser Maßnahme zum Opfer) und schlossen viele sozialdemokratische Mitarbeiter aus.

1941 wurde der Konsumverein Wohlfahrt im Rahmen des Versorgungswerkes der Deutschen Arbeitsfront endgültig gleich geschaltet.

Nach dem Krieg blühte der Konsumverein noch einmal auf (1957: 47.000  Mitglieder), aber die Bestimmungen des Rabattgesetzes und das Aufkommen der Einzelhandelsketten und Supermärkte leiteten den Niedergang der Konsumgenossenschaften ein. Nachdem der Bochumer Konsumverein 1962 von der Konsumgenossenschaft Dortmund übernommen wurde, blieben nach der Überführung in die COOP AG 1969 nur noch wenige Filialen übrig. H.-G.T.

Karl-Ernst-Straße
1.600 Meter

Zwischen 1900 und 1907 errichtete die Gewerkschaft Lothringen in der Gemeinde Hiltrop 15 Doppelhäuser für je vier Familien. Eine ältere Siedlung in Herne (Auf dem Kray 1878 bis 1900) mit 55 Gebäuden hatte sich als zu klein erwiesen, um die in den neunziger Jahren in den preußischen Ostprovinzen angeworbenen Arbeiter unterzubringen. Die Straße erhielt erst 1929 ihren Namen nach dem Stadtverordneten und Bankier Karl Ernst Korte, einer leitenden Persönlichkeit des Lothringen-Konzerns.

Bisher hatten die meisten im Ruhrgebiet errichteten Zechenkolonien durch eineinhalbgeschossige Doppelhäuser inmitten ausgedehnter Gärten einen vorwiegend ländlichen Charakter. Diese Siedlung jedoch bot mit ihrer höheren Geschosszahl (zweieinhalb), der dichten Anordnung der Häuser entlang der Straße und der nach hinten verlegten Gärten ein städtisches Erscheinungsbild. Bis auf zwei Ausnahmen wiesen diese Häuser noch nicht den typischen Fassadenschmuck der späteren Lothringen-Siedlungen auf.

Eine mögliche Erweiterung der Siedlung wurde früh zugunsten des Neubaus weiterer Kolonien in direkter Nachbarschaft der Hauptschachtanlagen verworfen. In der rein agrarisch geprägten Gemeinde Hiltrop blieb der noch lange isoliert von den Siedlungskernen Gerthe und Hiltrop gelegene "Polnische Querschlag", wie ihn die Hiltroper nannten, lange ein Fremdkörper, der nur sehr langsam nach 1945 von der Bebauung umschlossen wurde.

Die Häuser wurden erst Ende der sechziger Jahre mit Bädern und Toiletten versehen und sind seit Beginn der achtziger Jahre mit Zentralheizung ausgerüstet. Sie gehörten zu den letzten noch im Besitz der ehemaligen Bergbaugesellschaft befindlichen Gebäude in Bochum (heute gehören sie der Stadt Bochum) und weisen daher als einzige der insgesamt vier Lothringen-Siedlungen noch das ursprüngliche Erscheingungsbild auf. Von der Straße am Krähennocken sind die Ställe hinter den Wohnhäusern sichtbar. Sie wurden ursprünglich für Toiletten und Kleinviehhaltung errichtet. Der zwischen Häusern und Ställen gelegene Wohngang, auf dem sich lange Zeit das soziale Leben in der Kolonie abspielte, und einige Taubenschläge vermitteln etwas von dem mittlerweile raren Bild eines über Jahrzehnte hinweg typischen Wohnmilieus von Bergarbeitern. H.-G.T.

Heiksfeld
500 Meter

Das wirtschaftliche Standbein der Schachtanlage Constantin 10 (siehe Punkt 13) war lange die parallel zur Schachtanlage beidseitig der heutigen Straße Heiksfeld gelegene Kokerei. Hier wurde zwischen 1914 und 1959 nicht nur Koks produziert, sondern auch die dabei anfallenden Nebenprodukte Teer, Ammoniak und Benzol aufgefangen und letzteres auch zu einem Handelsprodukt weiter verarbeitet. Das Torhaus am Ende der Baumallee ist mittlerweile verschwunden, aber die meisten restlichen Gebäude blieben durch Umnutzung erhalten. Im ersten Gebäude auf der rechten Seite wurde ursprünglich das gesamte auf den Kokereien der Gewerkschaft anfallende Rohbenzolweiter verarbeitet. Weiter innerhalb des Geländes befanden sich auf der linken Seite, in den beiden mit Rohren bestückten Gebäuden, die Maschinenzentrale und die Ammoniakfabrik. Neben den architektonisch interessanten niedrigen Hallenkonstruktionen des ehemaligen Benzollagers und Naphtalinlagers weist die Anlage mit dem vor Kopf liegenden Gebäude der ehemaligen Rußfabrik eine technische Besonderheit auf. Hier wurde erstmalig in Deutschland Ruß aus Kokereigas erzeugt. H.-GT.

Wiekskamp
800 Meter

Die Gewerkschaft Constantin der Große, deren erster Schacht in Hofstede 1857 die Förderung aufnahm, teufte zur Erschließung des nordöstlichen Teils ihres ausgedehnten Grubenfeldes 1913 am Rande der Bauernschaft Hiltrop den Schacht 10 ab.

Verzögert durch den Ersten Weltkrieg entstanden bis zur Förderaufnahme 1919 entlang der Zechenanschlussbahn die nicht nur betrieblich, sondern auch architektonisch aufeinander abgestimmten Gebäude der Schachtanlage. Mit ihrer nüchtern-sachlichen Gestaltung durch geometrisch gegliederte, aber nur sparsam verzierte Ziegelfassaden unterschieden sie sich deutlich von den an historischen Stilen orientierten Industriefassaden der Jahrhundertwende. Ihre Repräsentativität erlangte die Anlage durch die heute noch zu bewundernde alleeartige Zufahrt (Wiekskamp), die in ein von einem Uhrenturm gekröntes Torgebäude mündet. Zu Beginn der zwanziger Jahre entstanden rund um die Zeche zahlreiche Häuser für Beamte und Arbeiter.

Bereits 1931 musste die Schachtanlage 10 infolge der Weltwirtschaftskrise ihren Betrieb einstellen. Zwar wurden in dem Grubenfeld seit 1936 wieder Gaskohlen abgebaut, diese aber auf der Herner Schachtanlage 4/5 zu Tage gefördert, so dass die Hiltroper Zeche nur noch zu Seilfahrt und Bewetterung genutzt wurde.

Die einsetzende Kohlenkrise und die erschöpften Vorräte führten 1961 zur endgültigen Schließung der Schachtanlage 10 und der Verfüllung des Schachtes. Da die Zechengesellschaft recht bald den größten Teil der Gebäude an Gewerbetreibende verkaufen beziehungsweise verpachten konnte, blieb die Anlage bis heute fast vollständig, wenn auch mittlerweile stark verfallen, erhalten.

Im Torhaus und dem anschließenden Seitentrakt befand sich die Verwaltung der Zeche, dahinter - quer dazu - lag die Waschkaue der Bergleute. Weiter im Gelände befindet sich das ehemalige Fördermaschinenhaus (auf der anderen Seite der Straße stand das Fördergerüst) mit dem dahinter liegenden Kesselhaus sowie daneben das Maschinenhaus. Den Abschluss bildet das links der Straße gelegene Werkstattgebäude. H.-G.T.

Bergener Straße 116 a bis h
800 Meter

Die ehemaligen Lagerbaracken, die von der Bergener Straße über einen Weg zugänglich sind, erinnern an den Zwangsarbeitereinsatz der Ruhrindustrie im Zweiten Weltkrieg.

Da der Ruhrbergbau sehr personalintensiv war, machte sich der kriegsbedingte Arbeitskräftemangel besonders deutlich bemerkbar. Um die Förderung halten zu können, setzten auch die im Besitz des Krupp-Konzerns befindlichen Constantin-Zechen Kriegsgefangene und Zivilarbeiter aus den besetzten Ostgebieten ein, die 1944 mit 3.500 Mann fast 40 Prozent der Belegschaft ausmachten.

Die Zechen griffen bevorzugt auf Zivilarbeiter zurück, für die 1941 / 1942 das Bergener Lager errichtet wurde, weil deren Leistungsfähigkeit höher eingeschätzt wurde als die von Kriegsgefangenen. Die gemauerten Baracken des so genannten "Ausländerlagers" waren zunächst mit 70 "fremdländischen Zivilarbeitern" belegt; im Laufe des Krieges steigerte sich diese Zahl auf die kaum vorstellbare Überbelegung von über 600 Mann, überwiegend zwangsverpflichtete Polen und Galizier.

Zwar gab es Unterschiede in der Behandlung von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern, aber auch diese litten unter der Enge und der schlechten Ernährung. Ein von der Wehrmacht beaufsichtigtes Kriegsgefangenenlager befand sich ganz in der Nähe am Sportplatz Sollingstraße. Es diente nach1945 als zentrale Verteilungsstelle für Neubergleute aus dem Osten, bevor alle Bauten beseitigt wurden.

Auch das Fremdarbeiterlager diente nach Kriegsende weiter der Zeche. In den fünfziger Jahren wurden hier etwa 100 Bergleute untergebracht. Während später ein Teil der Siedlung privatisiert wurde, diente der andere weiterhin der Unterbringung von Neubergleuten. Das Barackenlager in Bergen ist ein Dokument der Auswüchse der deutschen Kriegswirtschaft. Als solches war es auch ein Teil der Beweisaufnahme im Nürnberger-Krupp-Prozess 1947, der sich vor allem mit der Behandlung von Zwangsarbeitern beschäftigte.
R. P.

Hiltroper Straße
700 Meter

Wo heute ein unscheinbarer Weg von der Hiltroper Straße auf eine öde Industriebrache führt, befand sich bis in die siebziger Jahre die repräsentative Zufahrt der Schachtanlage Lothringen 4.
Der 1911 in Betrieb genommene Schacht diente zum Aufschluss des westlichen Grubenfeldes der Zeche. In den zwanziger Jahren kam es zu einem großzügigen Ausbau; bis 1926 wurden eine Kokerei mit Nebenproduktengewinnung und ein Kraftwerk errichtet. Mit einer Leistung von 21,5 Megawatt (MW) war es seinerzeit das leistungsstärkste in Bochum und eines der größten im Ruhrgebiet. Sonst unverkäufliche Kohlesorten konnten damit zur Stromerzeugung wirtschaftlich genutzt werden. Daneben wurde die neu errichtete Anlage der Stahlwerke Bochum (siehe Punkt 2) mit Strom versorgt.

Die so entstandene Industriekulisse mit dem wuchtigen, expressionistisch gestalteten Kraftwerksbau bestimmte 50 Jahre das Ortsbild von Hiltrop und Bergen.

Auch nach der Einstellung der Förderung 1957 blieb das bis auf 90 MW ausgebaute Kraftwerk aufgrund eines 1961 geschlossenen Vertrages zur Fernwärmelieferung nach Gerthe bis 1975 in Betrieb. Danach wurde es durch ein modernes Gas-Heizkraftwerk ersetzt.

Nur wenige Gebäude überstanden den durch Neunutzungspläne der Stadt geförderten Abriss 1979 / 1980. Dennoch blieb das Gelände bisher ohne geordnete Weiterverwendung.

Die der Zeche gegenüberliegenden Siedlungshäuser gehörten trotz der günstigen Lage nicht zu Lothringen 4 sondern zur Gewerkschaft Constantin der Große, ebenso wie die dahinter liegende, zwischen 1948 und 1952 mit Mitteln des Marshallplans erbaute Siedlung. Lothringen baute die nahegelegene Siedlung Grümerbaum (siehe Punkt 3) und einige inzwischen abgerissene Gebäude an der Ecke Hiltroper Straße / Dietrich-Benking-Straße. R.P.

Weg am Kötterberg
1.000 Meter

Das Ledigenheim ist eines der wenigen erhaltenen baulichen Zeugnisse der auf dem Kötterberg gelegenen Zentralschachtanlage Constantin 6/7. (Etwa 400 Meter weiter an der Hiltroper Straße erinnert eine Hinweistafel an diese Schachtanlage.)

Diese Zeche nahm 1907 als vierte Schachtanlage der Gewerkschaft Constantin der Große den Betrieb auf und förderte in den nächsten Jahren circa 400.000 Tonnen Kohle pro Jahr. Insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg konnte die Förderung nur über eine Erhöhung der Belegschaft gehalten werden, da die Schichtzeitauf acht Stunden vermindert und zu dem die technische Ausstattung der Zechenverschlissen war. Wohnraum war knapp. Trotz intensiver Bautätigkeit waren zum Beispiel 1924 nur 17 Prozent der 10.200 Arbeiter in Werkswohnungen untergebracht.

Eine dieser Maßnahmen nach 1918 war der verstärkte Bau von Wohnheimen für die ledigen Belegschaftsmitglieder. Nach solchen Bauten auf Constantin 4/5, 8/9 und 10 wurde 1923 als letztes und größtes Ledigenheim das der Anlage 6/7 errichtet. Es bestand aus zwei sachlich gestalteten Baukörpern, dem länglichen Wohngebäude und einem Anbau, der den Speisesaal beherbergte. In 51 spartanisch eingerichteten Unterkünften wohnten 102 Arbeiter. Dennoch war dies ein Fortschritt gegenüber früher errichteten einräumigen Massenquartieren.
Nach der Stilllegung der Zeche 1973 fand das Gebäude eine neue Funktion als Sitz einer Baufirma und als Wohnhaus, wodurch das Innere vollkommen verändert wurde. R. P.

Hiltroper Straße
300 Meter

Der rund um den Tippelsberg angelegte Spazierweg bietet eine gute Sicht über Bochum und seine nordöstlichen Nachbarorte mit ihren Industriehorizonten.

Blickt man nach Süden, so lässt sich der Bochumer Stadtkern auf einen Blick überschauen. Von links nach rechts erkennt man das Ruhrstadion, den Starlight-Komplex, den 1909 im Stadtpark errichteten Bismarckturm, die Türme der Propsteikirche und der Christuskirche, davor die rote Ziegelfassade der Kabelwerke Reinshagen. Markantester Punkt der Stadt ist das Fördergerüst des Bergbaumuseums. Rechts davon, südwestlich der Innenstadt, bestimmen Kohle und Stahl das Bild: der Wasserturm über dem Krupp-Gelände (bis 1966 Bochumer Verein für Gussstahlfabrikation), die daneben liegende Jahrhunderthalle Bochum, die für die Düsseldorfer Gewerbeausstellung von 1902 gebaut und anschließend an ihren heutigen Standort umgesetzt wurde, sowie das Fördergerüst der 1964 stillgelegten Zeche Carolinenglück, Baujahr 1912.

Beim Blick nach Westen sieht man den Stadtteil Riemke, überragt vom Turm der Franziskuskirche, dahinter die Anlagen der Krupp-Kohlechemie, heute Hüls AG. Bei guter Sicht ist halbrechts im Hintergrund die noch heute fördernde Schachtanlage General Blumenthal mit ihrem Zentralförderschacht 11 zu erkennen. Rechts schließt sich das Steag Kraftwerk am Rhein-Herne-Kanal mit den Kühltürmen an. H. K.


Tenthoffstraße
600 Meter

Zwei Eisenbahnbrücken über die Tenthoffstraße erinnern an die ehemalige Werksbahn der Zeche Constantin der Große. Die genietete beziehungsweise geschraubte Stahlkonstruktion stammt aus dem Jahr 1905, die an der Südseite der Stahlbrücke gelegene Betonbrücke aus den 1960er Jahren.

Auffallend an der Konstruktion sind die vier gusseisernen, kannelierten Mittelstützen (Länge 5,55 Meter) mit ornamentierten Knospenkapitellen und Konsolen mit Voluten und Fries, die der Brücke eine Repräsentativität verleihen, die an dieser abgelegenen Stelle überrascht. Sie tragen die wannenartige Stahlkonstruktion, in der auf Schottersteinen die Bahngleise verlegt waren.

Mittlerweile sind die Gleise auf beiden Brücken entfernt.

Die Zeche Constantin baute nach und nach ein eigenes Werkbahnnetz auf, das die meisten Anlagen miteinander verband. Um 1890 erfolgte für die Schächte 1, 2 und 4/5 der Bau eines Sammelbahnhofs mit Anschlussgleisen an den Bahnhof Riemke.

Der Teufbeginn der Schächte 6 (1901) und 7 (1905) machte den Bau der Brücke über die Tenthoffstraße (von 1904 bis 1926 Tippelsberger Straße) erforderlich, damit die Kohle zum Sammelbahnhof nach Riemke transportiert werden konnte. Dort erfolgte dann die Übergabe an die Staatsbahn.

Als 1967 die Förderung auf Constantin 6/7 eingestellt wurde, benötigte man auch die Brücke für den Kohlentransport nicht mehr. Die Stadt Bochum übernahm sie, und am 17. April 1989 wurde sie rechtskräftig in die Denkmalliste der Stadt aufgenommen. Mittlerweile ist sie restauriert. S. K