BOP Freizeit & Vereine Informationen Fabrik Pinnwand Ausweis Lesen Frauen und Beruf Frauen und Bildung Reisepass Medizin Helfen Haus Callcenter Familienzuhause Großvater Erziehung Familie mit Kind Verlobung Erde Tod Bau Zertifikat Katze Auto Datum und Uhrzeit Abmachung Wegweiser Vertrag Bus Nachwuchs Bürgerecho Facebook Twitter YouTube Instagram Flickr E-Mail nachladen nach unten Panorama Service Regeln Aktuelles Wissen Marktplatz Finanzen & Gebühren Umwelt & Klima Logout Vorreiterin Talentschmiede Wissenschaft Kultur Großstadt Kompetenzen Kompass Projekte Sportehrung: Abstimmung Sportehrung: Kriterien Sportehrung: Meldeformular Sportehrung: Rückblick Barrierefreiheit
Porträts zeitgenössischer Bochumer Frauen

Zoubeida Khodr

Mit ganzem Herzen in der Integrationsarbeit

Porträts zeitgenössischer Bochumer Frauen

Zoubeida Khodr
Zoubeida Khodr (Quelle: Nadja Juskowiak)

„Demokratie basiert auf Beteiligung und gegenseitigem Respekt. Daher ist Integration keine Option, sondern eine Verpflichtung.“ Das sagt Zoubeida Khodr, Vorsitzende des Integrationsausschusses der Stadt Bochum. Damit umreißt sie in wenigen Worten ihre Lebensaufgabe, ihr Herzenswerk. Das, woran sie arbeitet und wofür sie 12- bis 13-Stunden-Tage auf sich nimmt – größtenteils ehrenamtlich.

Dass sie, die 2009 den Verein „Humanitäre Solidarität Middle East“ (HSME) in Wattenscheid gegründet hat, sich voll und ganz der Integrationsarbeit verschrieben hat, fußt auf ihrer eigenen Geschichte: Zoubeida Khodr floh 1989 zusammen mit ihrer hochschwangeren Mutter und ihren Geschwistern wegen des Bürgerkriegs aus dem Libanon.

Die Familie war wohlhabend – trotzdem gestaltete sich der Start in Deutschland schwierig. „1989 war noch eine ganz andere Zeit“, erinnert sich die 49-Jährige. „Damals war man überhaupt noch nicht auf Einwanderinnen und Einwanderer eingestellt.“ So ging die damals 13-Jährige zwar auf ein Gymnasium in Bochum-Gerthe – Deutsch lernen konnte sie dort aber nicht. Daher besuchte sie Kurse in der Volkshochschule.

Strukturierte Unterstützung für Menschen, die nach Deutschland flohen, gab es noch nicht in dem Maße wie heute. „Die Politik hat erst später reagiert. Doch die Menschen hier in der Stadt, die waren sehr liebevoll und hilfsbereit.“ Dafür ist Zoubeida Khodr immer noch sehr dankbar.

Diese Dankbarkeit ist auch ein Motor für sie, weiterzugeben, was sie erfahren hat. Sie ist sie schon lange in Vereinen und Projekten aktiv, auch neben ihrer kaufmännischen Ausbildung und ihrer späteren Selbstständigkeit im Einzelhandel – zum Beispiel ist sie Vorstandsmitglied bei BONEM e.V., leitet Spiel- und Sprachgruppen für Geflüchtete und ihre Kinder in Höntrop, engagiert sich in der Anerkennungsbegleitung und bietet Unterstützung im Alltag.

Und dann kam der Tag, an dem sie mit HSME zusätzlich ihren eigenen Verein gegründet hat. Zunächst wirkte sie dort ausschließlich ehrenamtlich, im letzten Jahr konnte zusätzlich eine kleine Stelle geschaffen werden. Endlich. Denn ihre
Selbstständigkeit hat sie nach der Geburt ihrer drei Söhne zugunsten ihres Engagements aufgegeben. Der Verein hilft Geflüchteten und Zugewanderten bei Behördengängen, übersetzt und bietet Sprachkurse an. Es gibt Angebote für Kinder und vor allem auch für Frauen. Unverzichtbar sind auch die Vernetzung und der Austausch der Menschen untereinander, die neu in der Stadt sind. „Ich wusste um die Hindernisse“, sagt Zoubeida Khodr. „Aber ich musste es trotzdem tun.“ Die Hindernisse, das ist der Gegenwind, den sie, Tochter einer Christin und eines Muslims, manchmal spürt. „Ich bin als Kind auf die Schule von Jesuiten gegangen. Das hat mich weltoffen gemacht“, sagt sie. Ihre Weltoffenheit und die Tatsache, dass sie als Muslima kein Kopftuch trägt, stößt nicht bei allen Menschen auf Gegenliebe. „Ich habe auch mit konservativen Männern zu tun“, erzählt sie. „Mein Ziel ist es, die Rolle der Frau zu stärken.“ Frauen und Kinder sind für sie sehr wichtig, wenn man die Integration stärken möchte. Bildung, da ist sie sich sicher, ist der Schlüssel zur Integration. Auch die Lehrkräfte, Pädagoginnen und Pädagogen, bräuchten hier noch Unterstützung. „Viele Menschen, die fliehen, kommen aus Diktaturen, aus Ländern, in denen Krieg ist. Sie müssen die demokratischen Werte kennenlernen, um sich aktiv politisch beteiligen zu können“, sagt die aktive Frau. Nur wenn die Menschen die Demokratie verstehen, können sie auch teilhaben. Politische Teilhabe für alle – dafür setzt sie sich ein. Von der Vielfalt würden letztlich alle profitieren. Um die Demokratie zu stärken, brauche es Kraft, Stärke und Ausdauer. Dass sie das hat, hat auch die SPD in Bochum mitbekommen. Kurzerhand haben die Sozialdemokratinnen und -demokraten Zoubeida Khodr 2020 gefragt, ob sie sich zur Vorsitzenden des städtischen Integrationsausschusses wählen lassen würde. Das hat sie gemacht – noch ohne Parteimitglied zu sein. Später ist sie in die SPD eingetreten. Ein großes Anliegen ist es ihr, dass der Integrationsausschuss ein offenes Gremium ist. Daher hat sie die Idee, in einer Moschee oder in der Synagoge zu tagen, abgelehnt. Ihr ist es lieber, sich in einem Kulturraum zu treffen, zum Beispiel im Musikforum oder im Museum. „Wir brauchen für den Dialog offene Räume.“

Ihre Hoffnung für die Zukunft ist es, Strukturen für die Integration zu stärken. Sie, die inzwischen auch Interkulturelle Trainerin ist und die sich als Integrationsbotschafterin versteht, baut Brücken: zwischen Sprachen und verschiedenen Herkünften, zwischen Behörden und Menschen.

Für sie selbst ist Bochum schon lange das Zuhause geworden. „Meine Kinder sind deutsch. Für mich ist Libanon noch ein Stück Heimat – es ist wundervoll, dass wir beide Kulturen erleben können“, sagt sie. Aber daheim fühlt sie sich hier in der Stadt, in der sie in den wenigen freien Minuten gerne das Grün genießt, an der Ruhr oder im Wald.

(Andrea Behnke)