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Porträts zeitgenössischer Bochumer Frauen

Victoria Michel

Politisches Engagement für Inklusion

Porträts zeitgenössischer Bochumer Frauen

Porträt von Victoria Michel (Quelle: Victoria Michel)

„Als Frau mit Behinderung kann ich nicht nicht-politisch sein.“ Das meint Victoria Michel, Sprecherin der „Arbeitsgemeinschaft Behinderte in Bochum“. Und so lebt sie ein Leben, in dem Engagement und Politik eine große Rolle spielen.

Die 29-Jährige nutzt wegen einer Muskelerkrankung einen Elektro-Rollstuhl. Seit elf Jahren lebt und studiert sie in Bochum. Nach einer Zeit im Studierendenwohnheim wohnt sie nun in einer eigenen Wohnung – mit Unterstützung einer 24-Stunden-Assistenz. Genau genommen sind es acht Frauen, die sich die Assistenz rund um die Uhr teilen. Anders als ein Pflegedienst ermöglicht die Assistenz Victoria Michel ein selbst bestimmtes Leben. Wenn sie Entspannung braucht und zur Kemnade fahren möchte, dann geht das. Und wenn sie nach einer Party noch Hunger hat, dann wird gekocht.

Selbstbestimmtes Leben

„Es ist superwertvoll gewesen, dass mir die Menschen direkt gesagt haben, dass ich durchaus meine Bedürfnisse äußern darf – dass genau das ihr Job sei“, erinnert sie sich an die Zeit, als sie gerade von zu Hause aus einem Dorf nahe Gummersbach nach Bochum gezogen war. An die Zeit großer Umstellung, denn zuvor waren es die Eltern, die sie unterstützt haben – mit Studienbeginn waren es fremde Personen.

Dass sie mit ihrer Körperbehinderung auf eine Regelgrundschule und dann aufs Gymnasium gegangen ist, war nicht selbstverständlich. „Heute haben Eltern auf dem Papier die Wahlmöglichkeit, was die Schulbildung ihrer Kinder angeht. Aber es gibt immer noch zu viele Hürden“, sagt Victoria Michel. „Eltern werden häufig in ihrer Entscheidung beeinflusst und haben dadurch im Endeffekt doch keine Wahl.“ Zu Beginn der 2000er gab es das Recht auf inklusive Beschulung noch gar nicht. So haben Victoria Michels Eltern gekämpft, damit ihre Tochter nicht auf die Förderschule gehen musste.

Inzwischen schreibt die Bochumerin an ihrer Masterarbeit. Sie hat schon einen Bachelor in Medien- und Sozialwissenschaften in der Tasche – jetzt beschäftigt sie sich fürs Examen mit „Selbstwirksamkeitserfahrungen von Menschen mit Körperbehinderung am Übergang von der Schule in den Beruf“.

Bildung und Beruf als Herzensthema

Dieses Thema liegt ihr sehr am Herzen. Wäre sie Behindertenbeauftragte der Landes- oder Bundesregierung, würde inklusive Bildung für sie im Mittelpunkt stehen, denn: „Inklusion in der Bildung, im Arbeitsmarkt, aber auch zum Beispiel in Sportvereinen ist sehr wichtig“, sagt sie. „Man muss schon bei kleinen Kindern mit der Inklusion beginnen und verankern, dass Menschen mit Behinderung ein gleichberechtigter Teil der Gesellschaft sind.“ Natürlich könne man nicht von heute auf morgen alle Förderschulen und Behindertenwerkstätten und -wohnheime schließen – aber langfristig müsse es das Ziel sein und würde sich auszahlen.

Genau daran arbeitet Victoria Michel an verschiedenen Stellen: So hat sie neben dem Studium im Akademischen Förderungswerk Akafö, dem Bochumer Studierendenwerk, gearbeitet. Dort hat sie in der Beratungsstelle für Studierende mit Behinderung vor allem die Netzwerkarbeit der Hochschulen in NRW zum Thema Inklusion vorangetrieben. Diese politische Arbeit und die Beratung interessieren sie so sehr, dass sie sich in dem Feld gerne nach dem Studienende beruflich einbringen würde.

Seit 2013 ist sie darüber hinaus immer wieder als Referentin aktiv: zum Beispiel für den Deutschen Kinderhospizverein. Für diesen hat sie auch eine Ferienfreizeit für junge Erwachsene mit Körperbehinderungen ins Leben gerufen. Und sie ist im Kuratorium des bundesweit aktiven Vereins.

Sprecherin der „Arbeitsgemeinschaft Behinderte in Bochum“

Die Position als Sprecherin der „Arbeitsgemeinschaft Behinderte in Bochum“ hat sie seit 2021 inne. In Bochum gibt es keinen Behindertenbeirat. So ist die AG ein Sprachrohr für alle Bochumerinnen und Bochumer mit Behinderung. Auch für die Politik und die Verwaltung ist sie ein sachverständiges Forum, das geschätzt wird. „Die AG ist offen für alle Bürgerinnen und Bürger mit Behinderung“, sagt Victoria Michel. „Jeder und jede kann einfach vorbeikommen und mitwirken. Je mehr sich engagieren, desto besser.“

Was die Arbeitsgemeinschaft besonders umtreibt, ist die Barrierefreiheit in der Stadt. „Beispielsweise verschwinden immer mehr Behindertenparkplätze in der Stadt, weil man die Stadt autofrei haben möchte“, sagt die Studentin. Dabei ginge es nicht nur darum, öffentliche Einrichtungen oder Arzthäuser gut erreichen zu können, sondern auch um Teilhabe am Alltagsleben: etwa einen Stadtbummel zu machen oder mit Freundinnen oder Freunden ein Eis zu essen. Man wolle Bewusstsein dafür schaffen, welche Voraussetzungen Inklusion braucht. – und zwar echte Inklusion. „Barrierefreiheit im ganz normalen Alltag sorgt auch für Sichtbarkeit“, sagt die junge Frau. „Und je diverser eine Stadtgesellschaft ist, desto besser.“

Denn Menschen seien ganz verschieden – und sie sei eben ein Mensch mit Behinderung. Und das immer. So erklärt sich auch ihre Aussage, dass es sie nicht in nicht-politisch gibt. Es kann in jedem Moment passieren, dass sie aufgrund ihrer Behinderung mit einem Hindernis konfrontiert wird. Öffentlich. Und allein das ist schon eine politische Aussage.

(Andrea Behnke)