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Porträts zeitgenössischer Bochumer Frauen

Nicky Ulrich

Engagement für queere Menschen

Porträts zeitgenössischer Bochumer Frauen

Gefragt, was Nicky Ulrich beruflich antreibt, antwortet sie, ohne lange nachzudenken: „Ich möchte etwas bewirken.“ Das nimmt man ihr sofort ab. Seit nunmehr fast zehn Jahren arbeitet sie bei der „Rosa Strippe“. Und das ist für sie mehr als eine bloße „Stelle“, es ist eine Herzensangelegenheit.

Die „Rosa Strippe“ ist eine Beratungsstelle für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, ein Verein, der sich mit den Problemen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans* Personen und intersexuellen Menschen befasst – individuell, gesellschaftlich und politisch. Genau diese Kombination ist es auch, die die studierte Sozialpädagogin schätzt: Sie berät Einzelpersonen – gleichzeitig setzt sie sich gegen Vorurteile und Diskriminierungen wegen sexueller Orientierung ein.

Begonnen hat Nicky Ulrichs berufliche Laufbahn zunächst mit der Arbeit im Kinderheim Overdyck, gefolgt von der Mitarbeit im „Sozialdienst katholischer Frauen“ in Essen und im Kinder- und Jugendring Bochum. 2014 bekam sie parallel das Angebot einer Mini-Projektstelle bei der „Rosa Strippe“. Drei Jahre später konnte sie festangestellt weitermachen. „Die Bedarfe wurden immer größer“, sagt sie. „Da gab es dann endlich auch mehr finanzielle Unterstützung.“

Arbeit mit queeren Geflüchteten

Nicky Ulrich betreut vor allem zwei Projekte. Mit aufgebaut hat sie Senlima, ein Beratungs- und Gruppenangebot für queere Menschen mit Flucht- oder Migrationserfahrung. 2015, als viele Menschen insbesondere aus Syrien nach Deutschland kamen, zeigte sich besonders, wie wichtig dieses Angebot ist. „Vor allem Männer haben in ihrer Heimat oft unter Todesangst gelebt“, weiß Nicky Ulrich.
„Sie waren immer in Gefahr, haben zum Teil Gewalt erfahren.“

Nicky Ulrich und ihre Kolleginnen und Kollegen aus dem Team beraten inzwischen nicht mehr nur NRW-weit, sondern haben sogar Anfragen aus aller Welt. 2019 verzeichnete die Einrichtung 1.500 Anfragen – und es werden von Jahr zu Jahr mehr. Die Anliegen der Ratsuchenden sind ganz unterschiedlich: Mal geht es um asyl- oder sozialrechtliche Fragen, mal um psychische Probleme, mal um ganz konkreten Schutz. In einem offenen Senlima-Treff können queere Geflüchtete und Menschen mit internationaler Geschichte zusammenkommen und sich austauschen – in einem geschützten Raum.

„Ratz und Rübe“ heißt das zweite Projekt, für das Nicky Ulrich zuständig ist. Was zuvor auf rein ehrenamtlichen Beinen stand, bekommt bis Ende 2024 Fördergelder – und, so hofft die 47-Jährige, auch darüber hinaus. Dieses Angebot ist Nicky Ulrich besonders wichtig, richtet es sich doch an Lesben und Schwule mit Kinderwunsch.
Denn sie selbst lebt in einer Regenbogenfamilie, mit ihrer Frau und der gemeinsamen Tochter. „Für gleichgeschlechtliche Paare ist es noch immer nicht einfach, eine Familie zu gründen“, sagt sie. Ihre Familie ist für sie ein großes Glück – das spornt sie an, sich auch für andere Paare mit Kinderwunsch zu engagieren.

Für ein anderes Familienbild

Ohnehin sind ihre persönlichen Erfahrungen als lesbische Frau ein Motor, sich gegen Ausgrenzung und Ungerechtigkeit einzusetzen – gegen Diskriminierung, die sie selbst auch immer wieder spürt. „Ich möchte anderen queeren Menschen effektiv helfen“, sagt die Bochumerin. „Und ihnen auch vermitteln, dass sie nicht alleine sind.“ Denn: „Wir standen schon einmal besser da.“ Durch den Rechtsruck gewinne das traditionelle Familienbild „Mama, Papa, Kind“ wieder an Bedeutung, so ihr Eindruck. Und das, obwohl auch jenseits gleichgeschlechtlicher Paare und Regenbogenfamilien Familienleben so vielfältig sei wie nie zuvor.

Die Bochumerin glaubt, dass Menschen verunsichert sind, wenn sie etwas nicht für sich einordnen können: so zum Beispiel die Sichtbarkeit von transidenten Menschen. „Menschen denken, sie verlieren etwas, wenn andere sichtbarer werden.“ Es gebe immer noch viele Herausforderungen. Dann ergänzt sie schmunzelnd: „Aber wir arbeiten jeden Tag daran, uns als Einrichtung abzuschaffen.“

Für die Grünen sitzt sie zudem, ohne selbst Parteimitglied zu sein, im Beirat „Frauen, Geschlechtergerechtigkeit und Emanzipation“ der Stadt Bochum. Sie hat sogar den ersten Vorsitz inne. Auch hier kämpft sie für Gleichstellung aller Menschen. Zentral findet sie dabei den feministischen Kontext. Über Erfolge des Beirats freut sie sich sehr: zum Beispiel darüber, dass in der Volkshochschule ein Raum nach Lore Agnes benannt wurde oder dass neue Straßen Frauennamen bekommen sollen.

In dem Zusammenhang schätzt sie das politische Klima in Bochum, wo sie als gebürtige Essenerin seit 2005 lebt. „Die Stadt ist nicht so groß, hat aber viele Initiativen und aktive Menschen. Man kann wirklich Veränderungen in Gang setzen“, sagt sie. So engagiert sie sich selbst auch noch im Initiativkreis Flucht und in der Veranstaltergemeinschaft von Radio Bochum.

Bei so viel Einsatz: Wie schafft Nicky Ulrich es, einmal abzuschalten? Da ist natürlich zum einen ihre Familie, die sie bereichert. Zum anderen bewegt sie sich gerne, vor allem beim Radfahren. Und dann ist da noch der Fußball … Jetzt müssen alle Bochumerinnen und Bochumer stark sein: Denn Nicky Ulrichs Herz schlägt nicht für den VfL, sondern für den BVB. „Das war Fußball-Liebe auf den ersten Blick“, sagt sie und lacht.

(Andrea Behnke)