geboren 1958
Kabarettistin, Sängerin, Moderatorin und Sprecherin
Esther Münch
Porträts zeitgenössischer Bochumer Frauen
Kabarettistin mit Herz und Verstand
Ihre Oma hat als Hebamme 4.000 Kinder zur Welt gebracht. Eines davon war sie – sie wurde auf der heimischen Küchenbank geboren. Vielleicht war die Oma das Vorbild, das Esther Münch hat so werden lassen, wie sie ist: eine Frau, die ihren Weg geht und sich für andere einsetzt.
Dass aus dem Mädchen, das vor 63 Jahren im Bochumer Norden geboren wurde, einmal eine bekannte Kabarettistin wird, hat niemand ahnen können. Esther Münch – alias Waltraud Ehlert – hätte auch als Lehrerin in der Schule landen können. Wäre alles „nach Plan“ gelaufen. Doch im Leben kommt es eben oft anders.
Esther Münch hat an der Ruhr-Universität Deutsch, Geschichte und Pädagogik studiert. Dort hat sie nach Studienende eine Ausbildung in Impro-Theater absolviert – und Musikunterricht hatte sie schon seit der Kindheit: Flöte, Gitarre, Klavier, Gesang … sie ist das, was man „multimusikalisch“ nennen könnte. Sie war Frontfrau einer Band und sang solistisch. Schon während des Studiums hat sie Straßentheater gemacht. Sie schlüpfte in verschiedene Rollen … auch eine Art Walli war schon dabei.
Waltraud ist auf der Straße geboren
Nach dem Studienabschluss arbeitete sie auf einer halben Stelle als Sozialarbeiterin. „Doch ich war alleinerziehend“, erzählt Esther Münch. „Da reichte eine halbe Stelle nicht.“ Aufstocken ging nicht. Also mussten Nebenjobs her. Was lag für eine Frau mit einer solchen künstlerischen Ader und Begabung näher, als aufzutreten? „Ich bin eine Frau der kleinen Schritte, eine Arbeiterin“, sagt die Kabarettistin. Sie hat nicht sofort ihre große Karriere vor Augen gehabt, sondern es ging ihr um die ersten Gagen. Sie gab der Putzfrau, die auf der Straße so gut ankam mit ihren spritzig verpackten schlauen Gedanken einen Namen, ein Leben … Und so war Waltraud geboren.
Waltraud ist ihr Alter Ego – Menschen zum Lachen zu bringen, fällt ihr leicht. „Ich war schon in der Schule der Klassenclown“, sagt sie. Und Kunst hat ihr Leben immer bereichert. War sie vor einer Arbeit nervös, setzte sie sich an das Klavier in der Schulaula und spielte, ohne Hemmungen. „Ich bin tatsächlich von meinen Eltern gefördert worden. Wir waren eine humorige Familie.“ Ihr Vater sei ein „Wortverdreher“ gewesen – gleichzeitig habe er sehr darauf geachtet, dass sie Sprache vernünftig benutzt. „Das hat mein Sprachschwert geschärft.“
Und genau das braucht sie: Der Sozialarbeit ist sie zwar mit einer „kleinen Stelle“ in einer Beratungsstelle in Gerthe treu geblieben. Doch hauptberuflich arbeitet sie als freie Künstlerin – und liebt es. Inzwischen hat sie 17 selbstgeschriebene Solo-Programme, füllt regelmäßig eine Kolumne, tritt bei Firmenveranstaltungen auf … „Die Mischung macht es“, meint sie. Sie mag natürlich die Bühne, aber ebenso die Vorarbeit, die Recherche zu ihren Programmen, die bei allem Humor immer ernste Themen transportieren. Gerade tüftelt sie an ihrer neuen Idee, die „Ich glaub‘ nicht,
…“ heißt. Dabei geht es um Spiritualität und Selbstoptimierung, um Frauen, die hinten rüber fallen.
Solidarität für Frauen in der Comedy-Branche
Frauen und Gleichberechtigung, das ist ohnehin ein Thema, das sie beschäftigt. Auch in der Comedy-Branche sei Gleichbehandlung keine Selbstverständlichkeit. Bei „Mixed Shows“ mit vier Komödiant/innen heiße es oft: „Wir haben schon eine Frau.“ Daher hat sie ein Format ins Leben gerufen, bei dem sie gezielt weiblichen Talenten eine Chance gibt: Unter dem Titel „Wallis Weibsbilder“ präsentiert sie im Gerther Zauberkasten regelmäßig Comedy-Frauen, auch von außerhalb, um ihnen eine Bühne zu bieten.
Gegenseitiges Empfehlen und Solidarität sind ihr wichtig: „Wir sitzen in einem gemeinsamen Boot, jede sitzt an einer anderen Stelle.“ Solidarität – ein Wort, das gerade auch während der Corona-Pandemie, die Künstlerinnen und Künstler sehr getroffen hat, eine große Rolle spielte. Esther Münch guckt neidisch nach Frankreich: „Ich wünschte, Kunst und Kultur hätte hier einen ähnlichen Stellenwert.“
Denn das Kunst wichtig ist, erlebt sie bei jedem ihrer Auftritte – gerade auch in Krisenzeiten. „Ich sage meinem Publikum immer: Ich lade sie heute Abend auf.“ Sie ist sich sicher, dass Kunst das Leben balanciert.
Und wie balanciert sie sich selbst? Sie, die nicht nur auf der Bühne alles gibt, sondern auch in verschiedenen Ehrenämtern? Sie, die sich für Geflüchtete kümmert und im Tierschutz engagiert? Esther Münch erzählt, dass sie in Dahlhausen lebt, an der Ruhr. Früher hat sie gedacht, sie haue ab, weg aus Bochum. Sie dachte, sie gehöre hier nicht hin mit ihren „zu vielen Ideen“. Doch jetzt ist ihre Geburtsstadt „ihr Herz“. Der Platz, an dem sie laut und leise sein kann. An dem sie zur Ruhe kommt. Der Ort, an dem sie mit ihrem Mann und ihren Windhunden spazieren geht und Kraft tankt. Und Kraft braucht sie als Bühnenfrau, die alles gibt.
Andrea Behnke