Chefredakteurin mit Pionierinnengeist
Radio zu machen hatte sie nie auf dem Schirm, da ist Andrea Donat ehrlich. Dass sie 2021 seit mehr als 20 Jahren Chefredakteurin von Radio Bochum sein wird, hätte sie sich als Studentin in Münster nicht träumen lassen.
Studiert hat die gebürtige Mülheimerin Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie, ein Fach, in das sie sich „richtig reinstürzen konnte“. Nach dem Studium arbeitete sie zunächst in einer Wirtschaftskanzlei, wo sie auch hätte aufsteigen können. Aber sie spürte, dass das nicht ihr Weg war. Immer wieder ploppte der Gedanke auf, ob sie nicht doch hätte Medizin studieren sollen; natürliche Heilverfahren sind ihre Leidenschaft.
Aufbauarbeit im Sender
Doch dann kam der Abend, der alles in die passende Richtung schubste. Der Abend, an dem sie mit einem Freund einen Wein trank. Der Freund war Nachrichtensprecher bei Radio NRW. „Du hast eine super Stimme, bewirb dich doch bei uns“, meinte er. Umgehend wurde eine Cassette aufgenommen – und kurz darauf flatterte das Einladungsschreiben für ein Vorstellungsgespräch ins Haus. Nach einem Praktikum im Sender ging alles ganz schnell: Andrea Donat bekam eine Volontariatsstelle in Heinsberg, bei der Welle West, die seinerzeit gerade aufgebaut wurde. „Das war eine aufregende und spannende Zeit“, erinnert sich die 61-Jährige.
Nachdem der Stress der Sender-Gründung abgeebbt war, schaute sie sich in ihrem Wohnort um und dachte, wie gerne sie zurück ins Ruhrgebiet gehen würde. Dorthin, wo sie schon kurz nach der Geburt auf ihren Lieblingsfluss Ruhr geschaut und wo sie als Bergarbeiterkind in der Kaue gespielt hatte. Dorthin, wo es sich einfach nach Heimat anfühlt.
Als sie 1997 das Angebot bekam, bei Radio Bochum eine Stelle als Chefin vom Dienst anzutreten, griff sie sofort zu. Journalistisch in der Stadt mit dem bekannten Theater zu arbeiten, reizte sie sehr. Sie wollte gerne selbst vor Ort sein, recherchieren, am Mikro sein – doch dann kam die Chance, Chefredakteurin zu werden. Und Andrea Donat sagte „Ja“. Denn sie ist eine Frau, die Verantwortung übernimmt, für sie gibt es nur: Ganz oder gar nicht. Sie war Schülersprecherin und Basketballkapitänin. Heute ist sie im Landesvorstand des Deutschen Journalisten-Verbands und leitet den Presseclub Ruhr-Emscher, hat jahrzehntelange Erfahrung in Fach-Jurys und ist stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums der Tierschutzstiftung Bochum.
Mit Menschen und für Menschen
Obwohl sie selbst um ihre Karriere nie kämpfen musste, ist ihr Gleichberechtigung immer ein Anliegen gewesen. „Ich war schon im Studium frauenbewegt mit lila Latzhose“, erzählt sie und lacht. Sie hatte an der Uni im Frauen-Asta mitgearbeitet, war immer politisch aktiv. Stolz berichtet sie vom inzwischen rein weiblichen Vorstand der Veranstaltergemeinschaft. Bis überhaupt zum ersten Mal eine Frau hineingewählt wurde, hatte es 30 Jahre gebraucht. Andrea Donat ist Nachwuchsförderung wichtig – und auch hier hat sie die Frauen im Blick.
Mit Menschen zu arbeiten und für Menschen zu arbeiten, das ist ihr Credo. Gefragt nach den persönlichen Höhepunkten der vielen Radio-Jahre in Bochum, antwortet sie: „Aktionen, mit denen wir etwas bewirken konnten.“ Zum Beispiel denkt sie an Typisierungsaufrufe für Bochumerinnen und Bochumer mit Leukämie, an Missstände, die beseitigt werden konnten, oder an Lichtblicke, eine gemeinsame Hilfsaktion der NRW-Lokalradios. Nicht nur zu informieren, sondern auch Mut zu machen – darin sieht die Chefredakteurin eine ihrer Aufgaben.
Gerne erinnert sie sich auch an die Gründung des Frauenchores, anlässlich der Frauen-Fußball-WM 2011. Unter dem Motto „Die 12. Frau sind wir“ studierten 47 Frauen Fangesänge ein. Den Chor gibt es heute noch – und natürlich ist Andrea Donat auch dabei. Ansonsten bleibt nicht allzu viel Zeit für Ausgleich, in ihrem Beruf. Pflanzen sind ihr Hobby, drinnen und draußen – und als Heilkräuter. Da ist es wieder, das Interesse an medizinischen Themen. Außerdem ist sie gerne JWD, wie sie es nennt: vor allem in Südamerika. Wegen der Corona-Pandemie fallen Reisen derzeit flach. Da bleibt dann doch nur ein Ausflug an die Ruhr, die sie so liebt.
Andrea Behnke