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Aktuelles zur Bochum Strategie

Ein Tag in der ambulanten Pflege

Zwei Pflegekräfte stehen vor einem Medikamentenschrank.
Johanna Große und Marcel Merkmann bereiten sich auf ihren Arbeitsalltag vor. (Quelle: Stadt Bochum)

Aktuelles zur Bochum Strategie

Marcel Merkmann ist startklar für den Tag. Seine Arbeitskleidung: hellblaue Hose, hellblauer Kasack und Sportschuhe. Mit einem Lächeln auf den Lippen erzählt er, wie er zu seinem jetzigen Beruf gekommen ist. „Ich krieg die Krise im Büro!“, lacht Marcel. „Ich möchte etwas tun, das in meinem Verständnis sinnvoll ist“, erklärt er. Im Oktober 2023 hat er seine Ausbildung zum Pflegefachmann beendet. Aktuell bildet er sich zum Praxisanleiter weiter fort.

Die Pflegebranche ist ein vielfältiges Arbeitsfeld. Ob mit einer dreijährigen Ausbildung zur Pflegefachkraft, durch ein Pflegestudium oder eine Pflegeassistenzausbildung, die schließlich auf die Ausbildung zum Pflegefachpersonal vorbereitet – es führen die unterschiedlichsten Wege in die Pflege. Das Bochum Strategie-Projekt „Nachwuchskräftesicherung in der Pflege“ hat das Ziel, speziell für Bochum junge Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern. Bereits in Schulen wird dafür über den Pflegeberuf informiert und versucht, potenzielle Auszubildende mit Arbeitgebern zu vernetzen.

Eine Pflegerin zieht sich Einmalhandschuhe an.
Johanna macht aktuell ein Trainee und studiert Pflegewissenschaft. (Quelle: Stadt Bochum)

Auch Johanna Große hat ihre Berufung in der Pflegebranche gefunden. Nach der Schule wollte sie etwas Praktisches machen. „Da meine Mutter Ärztin ist, bin ich schon früh mit dem Thema Medizin in Berührung gekommen und da fiel die Wahl auf eine Ausbildung als Pflegefachkraft. Auch, weil ich explizit eine Ausbildung machen wollte, bei der ich direkt zur Tat schreiten konnte“, erzählt sie. Danach arbeitete Johanna im Bergmannsheil auf der internistischen Station, ehe sie ein Studium der Pflegewissenschaft begann. Nun ist sie seit gut einem Jahr als Trainee bei der Familien- und Krankenpflege Bochum tätig.

Marcel wiederum ist durch einen Nebenjob bei einem Pflegedienst zu seiner heutigen Berufswahl gekommen. Zuvor begann er ein Studium in einem völlig anderen Fach. Doch der Nebenjob gefiel ihm dann so gut, dass er sich im Pflegebereich weiterbilden wollte.

Die Arbeit als Pflegefachmann erfüllt ihn und gibt ihm durch die Abwechslung viele Anreize. „Ich mag die Arbeit in der ambulanten Pflege, weil ich viel unterwegs sein kann“, so Marcel. Selbstständigkeit und Eigenverantwortung sind zwei Aspekte, die er an seinem Job schätzt: „Wenn ich allein unterwegs bin, liegt die Verantwortung ganz bei mir.“ Sein Beruf bietet ihm eine große Bandbreite an Wahlmöglichkeiten, denn die generalisierte Ausbildung macht es ihm möglich, überall zu arbeiten, statt an einen Fachbereich gebunden zu sein.

Für Johanna ist es vor allem die praktische Arbeit, die ihr theoretisches Wissen aus dem Studium ergänzt. Aktuell arbeitet sie in Teilzeit sowohl als Pflegekraft als auch im Bereich Pflegemanagement. „Mein Arbeitgeber ist sehr flexibel, was die Arbeitszeiten angeht.“

Marcel ist auf dem Weg in die Demenz-Wohngemeinschaft Villa Goy in Altenbochum. Die Arbeit vor Ort ist abwechslungsreich und herausfordernd zugleich. Vieles steht für die dort lebenden Menschen auf dem Programm, aber ganz nach dem Motto: Alles kann, nichts muss. Die Pflegekräfte verstehen sich als Gäste in den Wohnungen der älteren Menschen. Diese werden als Mieterinnen und Mieter gesehen, die im Alltag Unterstützung benötigen.

Ein Pfleger misst bei einer älteren Dame Blutdruck.
Marcel misst bei Annegret Walter den Blutdruck. (Quelle: Stadt Bochum )

Annegret Walter ist eine von ihnen. Freundlich lächelnd stellt sie sich vor. Gemeinsam mit anderen sitzt sie an einem großen Tisch im hellen, geräumigen Aufenthaltsraum. Auf Sesseln und einer Couch machen es sich die Seniorinnen und Senioren mit Getränken bequem. Aus dem in der Ecke des Raumes stehenden Fernseher erklingt die Stimme von Roland Kaiser. Auf dem Weg zu Annegret Walters Zimmer fällt ein Bild besonders auf. Strahlend leuchtet das Logo des VfLs. „Hier hängen die richtigen Farben“, lacht Krankenpfleger Marcel und begleitet die ältere Frau eine Etage nach oben.

Sie wohnt in einem lichtdurchfluteten Raum, an dessen Wänden viele Fotos und Bilder hängen. Die Fensterbank ist mit bunten Dekorationen und Pflanzen ausgestattet. Verschiedene Stricksachen liegen auf dem Tisch. Auf dem Bett befindet sich ein mit Pailletten besticktes Kissen, auf dem ein Portrait gedruckt ist, ihr verstorbener Mann. „Ich fühle mich hier sehr wohl und das, obwohl ich erst knapp zwei Monate hier bin“, erzählt Annegret Walter. „Ich bekomme auch viel Besuch“, schwärmt sie und zeigt stolz auf die an den Wänden hängenden Fotos ihrer Kinder, Enkel und sogar Urenkel. Sie sitzt entspannt in einem grünen Sessel, während Marcel anfängt, das Blutdruck-Messgerät einsatzbereit zu machen. Täglich messen die Pflegekräfte bei Annegret Walter den Blutdruck. Ein Check-up, der für die 83-Jährige bereits zur Routine geworden ist. Sie hat selbst entschieden, dass sie nicht mehr auf ihrem Hof, auf dem sie früher mit ihrer Familie wohnte, leben kann. Stattdessen lebt sie nun mit neun anderen Menschen in der Demenz-Wohngemeinschaft und bekommt Unterstützung von Pflegekräften.

Die Aufgaben der Pflegekräfte sind abhängig von den zu betreuenden Personen und sind somit von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Während einige Unterstützung beim Waschen und Anziehen benötigen, können andere diesen Aufgaben noch selbst nachgehen. Neben den medizinisch-pflegerischen Tätigkeiten – wie das Messen des Blutdrucks und der Vitalwerte, Medikamentengabe oder Verbandswechsel – ist die Betreuungsarbeit ein großer Teil der Arbeit der Pflegekräfte. „Man erhält Einblicke in die Intimsphäre eines Menschen“, erklärt Marcel. Dadurch entstehe im Laufe der Zeit aber oft auch eine positive Bindung zwischen Pflegekraft und der zu pflegenden Person.

Eine Pflegekraft platziert an einer Wandhalterung eine Ernährungsflasche für eine im Rollstuhl sitzende junge Frau.
Johanna tauscht die Ernährungsflasche aus. (Quelle: Stadt Bochum)

Auch Johanna hat durch ihre Arbeit enge Bindungen zu ihren Patientinnen und Patienten aufgebaut. Eine von ihnen ist Lynn. Die 22-Jährige benötigt seit ihrer Geburt Intensivpflege. In ihrem Elternhaus sind drei Räume extra für Lynn eingerichtet. Helle orangefarbene Wände laden in einen heimeligen Snoezelraum mit einer Lichtinstallation und einer gemütlichen Couch ein. Hier kann Lynn sich bei ruhigen Melodien und gedimmten Lichteffekten entspannen.

Johanna überprüft Lynns Zugang für die künstliche Ernährung und hängt eine neue Ernährungsflasche an. Außerdem kontrolliert sie Lynns Medikamente. Intensivpflege bedeutet auch eine gewisse Betreuung bei der Freizeitgestaltung, denn Lynns Familie ist es wichtig, dass sie am sozialen Geschehen teilnimmt. Im Sommer spielt Lynn zum Beispiel gerne an ihrem Matsch-Tisch im Garten oder bastelt. Außerdem geht Lynn gerne shoppen. „Genau das macht unseren Beruf so abwechslungsreich“, kommentiert Johanna, während sie gemeinsam mit Lynn mit Glitzerknete spielt.  

Natürlich bringt der Pflegeberuf auch Herausforderungen mit sich. „Man hat einfach sehr viele Berührungspunkte mit dem menschlichen Körper“, erzählt Johanna. Sie habe dank ihres Jobs auf jeden Fall mehr Selbstbewusstsein entwickelt. „Und man wird zur Small-Talk-Königin“, lacht sie.

Auch Marcel nimmt aus seiner Arbeit viel mit für sein Leben. „Ich bin auf jeden Fall geduldiger geworden“, schmunzelt der 36-Jährige. „Manche Dinge dauern dann einfach länger und man gewöhnt sich daran“, erzählt er. Die Arbeit habe ihn außerdem selbstbewusster im zwischenmenschlichen Umgang gemacht. Zudem merkt er, wie seine Arbeitsweise schrittweise immer professioneller wird. Herausfordernde Aufgaben nimmt er daher gerne an und lernt aus diesen.

Eine 80jährige Frau sitzt in einem grünen Sessel und strickt.
Annegret Walter lebt seit kurzem in der Villa Goy. (Quelle: Stadt Bochum)

Für die Mieterinnen und Mieter in der Demenz-Wohngemeinschaft Villa Goy bieten die Pflegekräfte viele Aktivitäten an: Bunte Nachmittage, Sitztanzgymnastik, gemeinsame Einkäufe oder Spaziergänge sind Angebote, die die Mieterinnen und Mieter nutzen können. Am besten gefällt Annegret Walter die Musiktherapie. Bei dieser Kurseinheit steht der Musikgeschmack der Mieterinnen und Mieter im Fokus. Lieder, die in der Kindheit viel gehört wurden, prägen sich mit der Zeit ein. Angebote wie diese sind Teil der Erinnerungsarbeit. Gedächtnisspiele werden eingesetzt, um die Mieterinnen und Mieter kognitiv zu fördern. Auch beim Kochen werden sie mit einbezogen. Für Annegret Walter gehört das Kartoffelschälen zu ihrer täglichen Routine, bei der die Pflegekräfte über ihre Schnelligkeit staunen. „Hier kann ich definitiv noch was von Frau Walter lernen“, lacht Marcel.

Auch Johannas Tag bei Lynn geht langsam zu Ende. „Je nachdem, wie die Pflege gewünscht ist und wie die Schichten eingeteilt sind, geht eine Intensivpflegeschicht auch schon mal 12 Stunden“, erzählt Johanna, während sie Lynns Bett vorbereitet. „Das bedeutet gleichzeitig aber auch, dass man insgesamt weniger Tage arbeiten muss.“

An einem Tisch sitzen eine Pflegekraft und eine im Rollstuhl sitzende junge Frau. Die junge Frau knetet.
Manchmal gehört auch die Betreuung bei der Freizeitbeschäftigung zur Intensivpflege. (Quelle: Stadt Bochum)

Lynn hatte auch während ihrer Zeit an einer Bochumer Förderschule und in einer Werkstatt immer eine Pflegekraft an ihrer Seite. Aktuell wechselt sich ein fester Pool aus Pflegekräften bei der Intensivpflege für Lynn ab, sodass Lynn immer wieder vertraute Menschen um sich hat. Ihre Mutter ist sehr dankbar dafür, dass sie inzwischen bei der Pflege entlastet wird.

Was wünschen sich Johanna und Marcel für die Zukunft der Pflege? „Es muss definitiv mehr in die ambulante Pflege investiert werden und es muss in der Gesellschaft ankommen, dass Pflege und soziale Berufe unsere Stütze sind. Ohne sie funktioniert der Rest des gesellschaftlichen Lebens nicht. Sonst bricht die Versorgung irgendwann zusammen“, hat Johanna eine klare Meinung. „Pflege betrifft jede und jeden irgendwann mal in der ein oder anderen Weise.“

Marcel stimmt ihr zu: „Es ist zwar der am besten bezahlte Ausbildungsberuf, aber das wird nicht ausreichen, um Nachwuchskräfte wirklich von diesem Berufsfeld zu überzeugen. Die Entwicklungen in der Pflege müssen mehr gefördert werden, damit sowohl die Patientinnen und Patienten als auch die Pflegekräfte selbst mehr Wertschätzung erfahren.“